[REQ_ERR: 526] [KTrafficClient] Something is wrong. Enable debug mode to see the reason. Kolumne: Schwarz reden, grün leben – die verrückte Welt der Tradwifes – Beste Nachrichten

Kolumne: Schwarz reden, grün leben – die verrückte Welt der Tradwifes

Tradwifes, das sind traditionelle Hausfrauen, die alles für ihren Mann tun und sich dabei filmen. Eine neue Generation von Opfern des Patriarchats? Irrtum, meint Florian Schroeder.

Malischka betritt die allzu schicke und unangenehm aufgeräumte Designerküche, wirft einen Apfel in die Luft und sagt: „Wie ihr wisst, bin ich als Hausfrau eine viel beschäftigte Frau. Heute bin ich mit meinem Mann nach Palma gefahren, und hab dort erstmal was gegessen. Es gab Calamari, Pulpo und diese leckeren Scallops. Dann war ich einkaufen, ich habe die Einkäufe reingebracht, ausgepackt, eingeräumt und hab mir noch überlegt, dass ich meinen Mann doch mal wieder was backen sollte.“ 

Malischka lebt auf TikTok und Mallorca, kommt aber eigentlich aus Dortmund und hat ukrainische Wurzeln. Sie ist eine Tradwife, eine traditional wife, also eine Frau, die dafür lebt, zu Hause zu bleiben und ihrem Mann dienend ein schönes Leben zu machen. Ein Leben wie in den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Nun, wer kennt sie nicht, diese 50er-Jahre-Internet-Ehefrauen, die ihren Männern schön Klappstulle fürs Büro schmieren, aber das halt filmen und ins Internet stellen. 

Stullenschmieren ist nicht per se sexy

Stullenschmieren ist eigentlich nicht per se sexy, und wenn, dann eher als Tutorial für die sozial benachteiligten Incels, die sonst verhungern müssten. Auch Videos übers Auspacken von Einkäufen sind hinsichtlich ihres Erkenntniswerts eher beschränkt. Begehrlichkeiten weckt eben immer das, was man nicht hat. Wer keinen Sex hat, guckt Pornos, wer nicht kochen kann, schaut Kochsendungen und Leute ohne Einrichtungsgeschmack eben „Bares für Rares“. Und wer sich einfach nur eine Frau wünscht, die ohne Widerworte den Herd schrubbt, guckt eben die TikTok-Reels von Malischka. Vielleicht sind das ja die Softsexfilme der Generation „Handmaid’s Tale“, die Möglichkeit für Frauen in den kommenden Trumpjahren, gleichzeitig eine Karriere in den Medien zu machen und das Leben ihrer eigenen Großmutter zu führen.

Mutmaßlich ist dieser eigenartige Traditionalismus tatsächlich eine Antwort auf eine Zeit der Herausforderungen, die bedrohlich wirkt. Da ist der Rückzug ins Private, ins Heimelige und Gestrige für viele Zeitgenossen auf beiden Seiten der biologischen Geschlechtergrenze ein probates Gegenmittel – eine Art Maulwurfshügel der Behaglichkeit. Das ist zwar ein Trugschluss, aber es funktioniert. 

Vielleicht sind Tradwives gerade für diese Sorte junger Männer die heißesten vorstellbaren Influencerinnen: Frauen, deren höchste Erfüllung es ist, in einer hübschen Schürze frisch gebackenen Kuchen aufs Fensterbrett zu stellen und dann mit Eimer und Schrubber die Kehrwoche anzugehen.

„Schatz, ich kann nicht sehen, wie du dich an der Spüle abrackerst, mach doch bitte die Küchentür zu“, hätte man früher gesagt, aber heute bleibt die Tür offen und Frau kann sich mit dem Livestream dazu noch was nebenbei verdienen – ist doch auch schön. Also schmeißt euer Ketamin weg, Kinder, es gibt Klosterfrau Melissengeist für alle!

Tradwifes spielen ihre Rolle bis an den Rand der Karikatur

Vielmehr zeigt sich hier ein anderes Paradox, das mir häufiger begegnet ist. Ich bin im Lauf meines Lebens vielen Konservativen begegnet – Politikern wie Journalisten – die erstaunlich weltoffen, liberal und punktuell geradezu progressiv wirkten. Es war dann ein seltsamer Gesichtswechsel. Ich musste das öffentliche Bild der Person, das ich über Jahre in mich aufgenommen hatte, zuerst einmal synchronisieren mit der jetzt gerade frisch entstandenen Nahaufnahme. Ähnlich ist es bei Tradwifes. Ihnen gelingt etwas, das bei Konservativen oft zu beobachten ist. Sie spielen ihre Rolle in der Öffentlichkeit bis an den Rand der Karikatur und des Unerträglichen – ganz so, wie sie von ihnen erwartet wird. Aber hinter den Kulissen sieht es ganz anders aus. 

Malischka zum Beispiel serviert in ihren Videos Blinis mit Blattgold. Als Dortmunderin Caroline Tolstik, wie sie mit bürgerlichem Namen heißt, hat sie mit ihrem Mann zusammen eine Agentur für virales Marketing – Geschäftsmodell Produktplatzierungen. Während es in Berlin Prenzlauer Berg gern heißt: Grün reden – schwarz leben, gilt hier: Schwarz reden – grün leben. Darum kann sich Malischka auch als Befürworterin des Feminismus verstehen – eines Feminismus, der Frauen eben nicht mehr in bestimmte Rollen zwängt – auch nicht in diejenigen, die ihre Wortführerinnen für die vermeintlich richtigen halten. 

Bedauerlicherweise erkennen traditionelle Unternehmen den Trend wieder mal zu spät, obwohl sie selbst traditionell sind. Sonst würden Haushaltsschulen boomen, in denen man noch Plätten und Mangeln lernen kann, Hosenboden auslassen, Bohnern und was Leckeres aus Schlachtabfällen kochen.

Der nächste Schritt wären nun Tradbands, also traditional husbands, traditionelle Ehemänner, die Tag und Nacht schuften, aber heimlich zu Hause die Kinder betreuen. Öffentlich blieben sie die harten Fließbandarbeiter, die an der Werkbank per Smartphone ihre Arbeit aufzeichnen und daraus Social-Media-Beiträge machen. So ist vielleicht sogar die Gen Z noch zu echter Arbeit zu gebrauchen.

Dieser Trick funktioniert aber nur bei der ganz jungen Generation. Hält man Politikern von einer gewissen Altersstufe an Kameras vors Gesicht, lassen sie sich dadurch leider keineswegs zu traditioneller politischer Arbeit bewegen, eher im Gegenteil. Looking at you, Döner-Söder!