Politischer Aschermittwoch: Kaum Häme unter Koalitionären beim Traditions-Stammtisch
Scharfe Töne für die Konkurrenz gehören beim politischen Aschermittwoch eigentlich zum Standard. In diesem Jahr fallen die Sprüche aber wegen Verflechtungen in Bund und Land weniger markig aus.
Am Mittwoch in der Fastnachtswoche holen die Parteien traditionell aus zur verbalen Ohrfeige gegen den politischen Gegner. Diese Angriffe vom Rednerpult aus fallen vor allem dann schwer, wenn dieser Kontrahent in der Landesregierung mit am Kabinettstisch sitzt, im Bund hingegen nicht.
In Baden-Württemberg wird das auch in diesem Jahr beim politischen Aschermittwoch deutlich. Denn inmitten der schwarz-roten Koalitions-Sondierungen nutzen Grüne und CDU die traditionellen Parteispektakel nicht für ausgedehnte Kritik und hämische Attacken. Der gemeinsame Gegner: die AfD.
„Diese AfD will alles zerstören, was unser Land groß gemacht hat“, keilte in Fellbach der CDU-Partei- und Fraktionschef Manuel Hagel. „Diese AfD hasst, wofür wir stehen. Sie hasst die Ideen der sozialen Marktwirtschaft. Sie hasst Europa.“ Die Partei sei nur mit einer 180-Grad-Wende zu besiegen. „Alles Ausgrenzen im Umgang mit der AfD hat doch nichts gebracht. Wir müssen dieser Truppe Inhalte stellen. Wir müssen dieser Truppe sagen, was „Raus aus der EU und aus Europa“ für uns heißen würde in diesem Land“, sagte Hagel unter dem Beifall von rund 1.500 Menschen in Fellbach.
Özdemir teilt wenig gegen den Koalitionspartner aus
Auch Cem Özdemir, der Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bei der nächsten Landtagswahl beerben möchte, teilte in Biberach deutlich stärker gegen die AfD aus als gegen den Südwest-Koalitionär: „Man muss ja gerade zu hoffen, dass diese Bundesregierung nicht scheitert“, sagte er in Biberach beim politischen Aschermittwoch seiner Partei. „Wenn sie scheitert, dann wird die AfD nächstes Mal durch die Decke schießen.“ Die Grünen müssten deswegen die Rolle einer konstruktiven Opposition ausfüllen.
Seinen Hauptkonkurrenten im aufziehenden Wahlkampf für die Landtagswahl im kommenden Jahr ging er dagegen so gut wie gar nicht an – die Landes-CDU, mit der die Grünen im Südwesten seit 2016 gemeinsam regieren, kam in seiner Rede nur am Rande vor. Er verstehe ja, sagte Özdemir, dass es bei der CDU eine Sehnsucht danach gebe, dass 2026 alles wieder ins Lot komme. „Ihr müsst jetzt ganz tapfer sein: Dass wir hier seit 2011 regieren war eben kein historischer Zufall, keine Laune der Zeitläufe.“
Kretschmann begrüßt Vorhaben von CDU und SPD
Schärfere Attacken fuhr er nur gegen die Bundes-CDU. Verwies etwa darauf, welche Probleme er als Agrarminister von seinen Unions-Vorgängern geerbt hat, oder schoss scharf gegen die umstrittene parlamentarische Anfrage der Union zur politischen Neutralität von Nichtregierungsorganisationen. „Geht’s noch?“, rief er in die Stadthalle und bekam dafür tosenden Applaus.
Und auch der Ministerpräsident schoss, wenn überhaupt, gegen die Bundes-CDU und den vermutlich nächsten Kanzler Friedrich Merz, dem aus seiner Sicht die Weitsicht fehlt. Jeder habe auch schon vor der Wahl sehen können, dass es so kommen werde, sagt Kretschmann mit Blick auf das gigantische Finanzpaket, auf das sich CDU und SPD geeinigt hatten. „Dann in der Geschwindigkeit seinen Kurs zu wechseln, ist nicht gerade ein Ausweis von Verlässlichkeit“, sagte Kretschmann.
Im Grundsatz begrüßte er aber die Beschlüsse, hatte Kanzlerkandidat Robert Habeck im Wahlkampf doch Ähnliches gefordert. „Im Großen und Ganzen scheint es mir vernünftig, was da ausgehandelt wurde.“