Analyse: Wie Deutschland einen Zollkrieg mit Trump noch verhindern kann
Mit Kanada und Mexiko hat er es vorgemacht, für Europa angedroht: Donald Trump verhängt hohe Zölle. Deutschland schlittert auf einen Handelskrieg zu. Wie lässt er sich vermeiden?
Während sich Deutschland in innenpolitischen Grabenkämpfen übt, hat US-Präsident Donald Trump am Wochenende zum großen Handelskrieg gegen Verbündete mobilisiert. Er verhängte einen Zoll von 25 Prozent auf alle Einfuhren aus Kanada und Mexiko. Trump kündigte am Samstag in einem Interview mit „C-Span“ an, dass ähnliche Zölle gegen die EU „definitiv kommen“ würden. Das Verhalten der EU sei eine „Scheußlichkeit“. Die EU hätten die USA übervorteilt mit einem Handelsbilanzüberschuss von über 300 Milliarden US-Dollar.
Dass der EU-Überschuss mit Einrechnen von Dienstleistungen um einiges geringer ist, wird Trump kaum beeindrucken. Es ist jetzt klar: Handelspolitisch bestätigt Trump die schlimmsten Befürchtungen, weil er viel entschlossener vorgeht als in der ersten Amtszeit. Der Ernstfall ist da mit höchster Gefahrenstufe. Gerade für das wirtschaftlich schon gebeutelte Deutschland steht enorm viel auf dem Spiel: Die USA sind unser größter Handelspartner außerhalb Europas und Deutschland hat einen Handelsbilanzüberschuss von 67 Milliarden Euro.
Die Brutalität und Rechtlosigkeit des Vorgehens gegen Kanada und Mexiko sollten uns aufschrecken lassen. Trump selbst hat in seiner ersten Amtszeit das aktuelle Freihandelsabkommen mit den beiden Staaten verhandelt. Nun überzieht er sie mit Zöllen. Als Grund gibt er die unkontrollierte Grenze an, durch die Migranten und die Droge Fentanyl in die USA gelangten. Bei Kanada ist dies eindeutig ein Vorwand: Weniger als ein Prozent der Migranten und des Fentanyls kommen über Kanada in die USA.
Den Vorwand braucht Trump, um ein Notfallstatut nutzen zu können für die Verhängung der Zölle – ähnlich wie sein Vorgänger George W. Bush angebliche Massenvernichtungswaffen vorschob, um einen Krieg gegen den Irak vom Zaun zu brechen. Auch ist der Handel zwischen den USA und Kanada ausgeglichen, wenn man das Öl herausrechnet, das die USA aufgrund des Preisvorteils bereitwillig aus Kanada importieren.
Was sind die Gründe für Donald Trumps Zölle gegen Kanada?
Die wahren Gründe der Zölle gegen Amerikas engsten Bündnispartner Kanada scheinen andere. Trump will mit den Zöllen die Staatskassen auffüllen, weil die extrem hohen Haushaltsdefizite seine Steuersenkungspläne für die Reichen gefährden. Zudem will er Investitionen der Industrie in die USA umlenken. Und er will sich Kanada politisch durch wirtschaftliche Strangulierung gefügig machen. Trump wiederholte am Wochenende sein Bestreben, Kanada zum 51. Staat der USA zu machen.
Der kanadische Forscher Roland Paris nennt Trumps Vorgehen das einer „feindseligen Macht“. Er sieht einen Wendepunkt. Paris übertreibt damit nicht. Statt Führungsmacht des Westens zu sein, üben sich die USA unter Trump in raubtierhaftem Hegeomoniestreben. Trumps Ansprüche auf den Panama-Kanal und Grönland passen da ins Bild.
Dies sollte fundamentale Annahmen Europas über die Beziehungen zu den USA erschüttern und Deutschlands Wahlkämpfer aufwachen lassen. Dass Trump nicht in den ersten zehn Tagen die Nato aufgekündigt und die Ukraine Putin zum Fraß vorgeworfen hat, hat einige eingelullt. Stattdessen sollten die Alarmglocken läuten. Deutschland muss sich für einen Handelskrieg gegen Trump wappnen und dabei von Kanadas entschlossener Reaktion lernen. Es wird als Reaktion mitnichten ausreichen, wie CDU-Chef Merz von einem Freihandelsabkommen mit den USA zu fabulieren. So wünschenswert ein solches Abkommen wäre – aktuell ist es reine Traumtänzerei. Und wie die Beispiele Kanada und Mexiko zeigen: Auch ein Freihandelsabkommen schützt nicht gegen Trumps Übergriffigkeit.
Was hilft, ist maximale EU-Einigkeit. Das Gute ist, dass Trump Europa in Handelsfragen weniger leicht spalten kann, weil diese in der Zuständigkeit der EU-Kommission liegen und Einstimmigkeit anders als bei Sanktionen gegen Russland etwa nicht notwendig ist. Deutschland hat eine wichtige Rolle beim Herstellen maximaler Einigkeit. Wir sollten dabei von Kanada lernen, wo liberale Regierung und konservative Opposition an einem Strang ziehen. Scholz, Merz und Habeck sollten eine gemeinsame Position vertreten und das entschlossene Vorgehen der EU-Kommission gegen Trumps Drohungen unterstützen.
Zweitens sollte Europa ohne Illusionen weiterhin mit Trump verhandeln, um durch einen Deal einen Handelskrieg abzuwenden, etwa durch Erhöhung von Waffen- oder LNG-Käufen in den USA oder ein gemeinsames Vorgehen gegen unfaire Handelspraktiken Chinas. Brüssel sollte der Trump-Regierung deutlich machen, dass ein Handelskrieg gegen die EU nur dazu führt, die Pro-Peking-Kräfte in der EU zu stärken. Spaniens Regierung etwa hat bereits gemeinsame Sache mit Xi als Reaktion auf Trump ins Spiel gebracht.
Donald Trumps Waffe: Was Strafzölle eigentlich sind 15.35
Zölle: Deutschland sollte eine Antwort auf Trump vorbereiten
Drittens sollten wir eine robuste Antwort genauso wie Kanada (und Mexiko) vorbereiten. Kanadas Premier Justin Trudeau hat Gegenzölle von 25 Prozent auf US-Güter im Wert von über 100 Milliarden US-Dollar angekündigt. Zudem stellt er Einschränkungen etwa bei der Ausfuhr von für die US-Produktion zentrale kritische Rohstoffe oder Öl in Aussicht.
Damit macht Kanada klar: Ihr tut uns weh, aber wir können Euch auch wehtun auf eine Art und Weise, die die Inflation nach oben treibt und die wirtschaftliche Lage insbesondere in Pro-Trump-Staaten negativ beeinflusst. Und wir sind bereit, dafür hohe Kosten in Kauf zu nehmen. Die Hoffnung ist, Trump durch die wirtschaftlichen Kosten daheim zu einer Rücknahme der Zölle zu bewegen. Schließlich hat er niedrige Inflation und eine boomende Wirtschaft versprochen.
Die EU-Kommission hat bereits eine Liste von Gütern vorbereitet für Gegenzölle, welche die US-Wirtschaft gerade in Trump-freundlichen Staaten empfindlich treffen könnte. Diese Antwort durchzuhalten, wenn Trump weiter eskaliert und auch sicherheitspolitisch droht, wird schwer sein für Deutschland und Europa. Der wirtschaftliche Leidensdruck in einem Zollkrieg wird enorm sein für Deutschland. Dies zeigt, wie anfällig Deutschlands Exportfixierung mit schwacher Binnennachfrage ist. Umso wichtiger, dass sich jetzt die Parteien der Mitte auf ein umfassendes Paket zur Ankurbelung der Wirtschaft verständigen, das notwendige Entbürokratisierung mit öffentlichen Investitionen (etwa in Infrastruktur) verbindet.
Zudem sollten wir die Vertiefung der Handelsbeziehungen mit Lateinamerika, Asien und Afrika jetzt erst recht vorantreiben, um alternative Märkte zu erschießen. Europa sollte insbesondere das EU-Mercosur-Abkommen jetzt schnell ratifizieren.
Trumps Zollkrieg unterstreicht das Ende der USA als verlässliche Schutzmacht und die Notwendigkeit, für unsere eigene Sicherheit zu sorgen in Europa. Ein weiterer Grund, im Wahlkampf endlich die Nabelschau zu beenden und die außen- und sicherheitspolitischen Realitäten ins Zentrum zu stellen.