Bundestagswahl: Landeswahlleiter: „Ich hadere mit dem Begriff Wahlpanne“
Digital den Bundestag wählen? Das wird nach Einschätzung von Landeswahlleiter Hürter nicht so schnell möglich sein. Aus guten Gründen.
Landeswahlleiter Marcel Hürter bricht eine Lanze für die Wahlurne. In Deutschland solle ja gleichzeitig geheim und öffentlich gewählt werden, sagte der Rheinland-Pfälzer im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. „Das einzige Instrument, das dies aktuell perfekt umsetzt, ist die Urne.“ So sei der Wahlvorgang zugleich geheim und beobachtbar. „Bei digitalen Verfahren ist dies nicht möglich.“
45.000 Rheinland-Pfälzer helfen bei der Bundestagswahl
Etwa 45.000 Menschen seien bei der Bundestagswahl am 23. Februar in Rheinland-Pfalz im Einsatz, zumeist als Wahlhelfer und Wahlhelferinnen. „Man könnte Wahlen auch wie in den Vereinigten Staaten organisieren, wo man mit weniger Ehrenamtlichen klarkommt“, sagte Hürter. „Aber unser System sichert auch, Akzeptanz und Transparenz von Wahlen“, betonte der 44-Jährige. „Die Bürgerschaft ist in ihre Wahl eingebunden.“
Bei 2.300 Gemeinden sei es vereinzelt schon herausfordernd, genügend Wahlhelfer zu finden. Bislang sei es aber immer gelungen. „In den allermeisten Fällen sehen das die Bürgerinnen und Bürger als ihre Pflicht an, etwa wenn sie ohnehin im Gemeinderat aktiv sind, auch am Wahltag zum Gelingen der Demokratie beizutragen“, berichtete Hürter, der häufig selbst Wahlhelfer war. „Es ist hoch spannend zu sehen, wie die eigene Gemeinde bei der Bundestagswahl gewählt hat.“
Kleinere Fehler als Panne zu bezeichnen findet Hürter ärgerlich
„Ich hadere mit dem Begriff Wahlpanne„, betonte Hürter. „Auch bei Wahlen kommt es immer wieder zu kleineren Fehlern. Dass dies als Panne bezeichnet wird, finde ich ärgerlich.“ Zehntausende Menschen seien im Ehren- und Hauptamt daran beteiligt, eine freie Wahl zu garantieren. „Es gehört zur Transparenz, Probleme auch anzusprechen.“
Digitale Abstimmungen haben auch Nachteile
„Sie brauchen für den demokratischen Prozess auch das Erleben der Wahl.“ Es sei wichtig, „dass die Menschen am Abend ins Wahllokal gehen und sehen können, wie mit ihren Stimmen umgegangen wird“. Denn: „Wenn Außenstehende das Gefühl bekommen könnten, das Ergebnis kann ich glauben oder auch nicht, würden wir in Deutschland erhebliche Probleme bekommen.“
Dazu komme die Bedeutung: „Eine Bundestagswahl ist eine wichtige Wahl. Wenn Sie bei der Arbeit oder im Privaten ein wichtiges Gespräch führen, machen Sie das von Angesicht zu Angesicht und nicht digital.“
Hürter: „Das Wahlrecht nur sehr behutsam reformieren“
„Die Hürde für eine Parlamentswahl in Deutschland ist sehr hoch gelegt“, betonte Hürter. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in Deutschland in nächster Zeit zu digitalen Abstimmungsverfahren bei Parlamentswahlen kommt.“ Das Wahlrecht sollte nur „sehr behutsam“ reformiert werden.
Mehr als 5.000 Wahllokale
Die Zahl der Stimmbezirke oder Wahllokale in Rheinland-Pfalz werde bei der Bundestagswahl etwas über 5.000 liegen. „Eine Verbandsgemeinde kann sehr kleinteilig sein, Bitburg zum Beispiel hat 70 Ortsgemeinden. Und da muss es im Vorfeld sehr gut überlegt sein, wo Wahllokale eingerichtet werden, und wo müssen Stimmen gemeinsam ausgezählt werden.“
Denn: „Der Bundesgesetzgeber legt Wert darauf, dass nur ausgezählt wird, wenn mehr als 30 Stimmen in der Urne sind.“ Ziel ist es, die Geheimhaltung der Wahl zu sichern.
„Bei 1.600 Gemeinden mit weniger als 1.000 Einwohnern tritt das Problem in Rheinland-Pfalz mit kleinen Stimmbezirken viel häufiger auf als beispielsweise im Saarland oder in Hessen, wo die Gemeinden im Schnitt deutlich größer sind“, gab Hürter zu bedenken.
„Wenn am Wahlabend überraschend doch nur 28 Stimmen in der Urne sind, wird auch in der Wahlnacht noch ein Stimmbezirk mit einem anderen zusammengelegt.“
Cyberangriff könne keinen großen Schaden anrichten
Hackerangriffe fürchtet der Wahlleiter nicht besonders: „Darauf wird sich natürlich vorbereitet“, betonte Hürter. „Wir haben in Deutschland aber eine Ermittlung des endgültigen Ergebnisses, die vollständig analog abläuft.“ Was am Wahlsonntag ab 18.30 Uhr im Fernsehen und im Internet zu sehen ist, sei nur das vorläufige Ergebnis.
„Das tatsächliche Ergebnis wird von Wahlausschüssen komplett analog auf der Grundlage von Papier ermittelt.“ Die Gefahr von Cyberangriffen bestehe zwar. „Sie kann aber keinen großen Schaden anrichten in dem Sinne, dass ein falscher Bundestag entsteht.“
Die Wahlbeteiligung ist in der Regel hoch
„Die Wahlbeteiligungen unterliegen Schwankungen, sind aber hoch“, sagte Hürter. „Ich kann nicht sagen, dass das Interesse an Politik per se abnimmt.“
Um die hohe Bedeutung einer Bundestagswahl zu unterstreichen, könne es vielleicht auch ein Argument sein, zu sagen: „Ja, das ist es mir wert zum Wahllokal zu gehen“, appellierte er an die mehr als drei Millionen Wahlberechtigten in Rheinland-Pfalz. Die Wahllokale seien gut erreichbar und der Wahlvorgang in Deutschland so unkompliziert wie nur in wenigen anderen Ländern.
Bei der Briefwahl diesmal auf die kurzen Fristen achten
„Derjenige, der das am Wahltag nicht kann, hat immer noch die Möglichkeit der Briefwahl oder der Briefwahl vor Ort in der Verwaltung, betonte Hürter. „Wir machen viele Angebote, die in Summe alle komfortabel und zumutbar sind.“
„Die Verpflichtung, die Briefwahl zu begründen, ist weggefallen und seither ist der Anteil der Briefwähler deutlich gestiegen“. In der Corona-Pandemie seien Spitzenwerte erreicht worden. Auch die Kommunalwahl in Rheinland-Pfalz, bei der sehr viele Stimmen vergeben werden können, animiere dazu, „in Ruhe zu Hause zu wählen“.
Bei der vorgezogenen Bundestagswahl gilt: „Die Fristen sind kurz. Deshalb ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass sich die Wählerinnen und Wähler rechtzeitig um ihre Wahlunterlagen kümmern.“