„Wurden in Ketten gelegt“: Kanadierin schildert dramatische Szenen aus US-Abschiebehaft
Als die Kanadierin Jasmine Mooney in die USA einreisen will, wird sie verhaftet. Der Albtraum, der darauf folgte, ist kaum vorstellbar, aber kein Einzelfall.
Seit Jahren arbeitet die kanadische Unternehmerin Jasmine Mooney in Los Angeles. Wie viele ihrer Landsleute auch hatte die frühere Schauspielerin („American Pie“) ein US-Arbeitsvisum. Vor einem Jahr hatte sie es erst erneuern lassen. Das Dokument sollte daher noch mindestens zwei Jahre gültig sein. Doch im November gab es Komplikationen, weshalb Mooney von Kanada aus ein neues Arbeitsvisum beantragen sollte.
Am 3. März wollte sie mit den neuen gültigen Papieren über die mexikanische Grenze nach San Diego einreisen – und wurde festgenommen. „Eben noch sprach ich mit dem Beamten über mein Visum“, erzählte sie dem britischen Guardian, „und im nächsten Moment wurde ich abgetastet wie eine Kriminelle und in ein Detention Center verfrachtet, ohne meinen Anwalt informieren zu können.“
Für Mooney begann ein Albtraum, der derzeit auch einigen Deutschen mit gültigen Visa widerfährt: Sie wurde verhört und aufgefordert, die Hälfte ihres Gepäcks zurückzulassen, weil sie es nicht mitnehmen könne, so schilderte sie es mehreren Medien. Wohin sie gebracht werden sollte, wollte ihr wohl niemand beantworten.Jasmine Mooney spielte eine Nebenrolle in der Serie „American Pie“
© Screenhot Jasmine Mooney / Instagram
Ihre erste Zelle – einen winzigen, eiskalten Raum mit Zementfußboden, grellen Neonlampen und einer Toilette in der Ecke – habe sie mit fünf Frauen geteilt, die auf dem Fußboden lagen, bedeckt mit einer Aluminiumfolie, die ihnen ausgehändigt worden war. Mooney erinnerte sich: „Sie sahen aus wie Leichen.“
Am dritten Tag durfte die Kanadierin dann telefonieren. „Ich rief eine Freundin an, deren Nummer ich auswendig konnte, erzählte ihr, was passiert war.“ Ihre Bitte, einen Flug nach Kanada buchen und selbst zu bezahlen, sei vom Gefängnispersonal ignoriert worden.
Gefängniswärter: „Bereiten Sie sich auf Monate Haft vor“
Stattdessen verfrachteten die Behörden Mooney in das Otay Mesa Detention Center, eigentlich ein Männergefängnis außerhalb der kalifornischen Stadt San Diego an der Grenze zu Mexiko. „Wie lange muss ich hier bleiben?“, wollte die Kanadierin dort wissen. „Bereiten Sie sich auf Monate vor“, sagten die Wärter.
Mooney berichtete von 140 Frauen auf ihrem Flur, Migrationsfälle wie sie selbst. „Keine dieser Frauen war vorbestraft. Manche waren seit zehn Monaten dort.“ Unter ihnen sei eine Master-Studentin aus Indien gewesen, die ihr US-Visum um ganze zwei Tage überzogen hatte. Außerdem berichtete Mooney von einer Frau, die ein zehn Jahre gültiges US-Arbeitsvisum hatte und zusammen mit ihrem Mann auf der Autobahn versehentlich auf die falsche Spur Richtung Mexiko geraten war. Weil die beiden ihre Pässe nicht dabei hatten, als sie am Grenzpunkt hielten, nahm die Polizei sie fest.
Wenige Tage später wurde Mooney in ein Gefängnis in Arizona überführt. Die Reise dorthin dauerte 24 Stunden – „50 von uns wurden in einen Bus gepackt, die Frauen vorne, die Männer hinten“, erzählte sie. Jeder Häftling sei in Ketten gelegt gewesen: „Unsere Handschellen waren an fest um unsere Gürtellinie gelegten Ketten befestigt, unsere Füße aneinander gekettet.“ Die Busfahrt dauerte fünf Stunden. Bei der Ankunft im San Luis Regional Detention Center seien die Frauen einem Schwangerschaftstest unterzogen worden.
Verglichen mit San Luis sei die Haftanstalt in Kalifornien ein Fünf-Sterne-Hotel gewesen, berichtete Mooney weiter. „In Arizona waren dreißig Frauen in einer eiskalten Zelle eingesperrt.“ Das Neonlicht an der Decke habe die ganze Nacht über geleuchtet.
Irgendwann habe Mooney ein Tablet an der Wand entdeckt, von dem aus sie eine Mail an den Boss ihres Kunden schickte. Er reagierte und kontaktierte Ihre Freunde in Kanada. Mooneys Fall wurde von den Medien dort aufgegriffen.
Sind die Abschiebungen aus den USA ein Geschäft?
Nach fast zwei Wochen in Limbo ging für die Kanadierin plötzlich alles sehr schnell: Ein Agent der US-Immigrationsbehörde ICE meldete sich bei ihr. Sie wäre viel früher freigekommen, behauptete der Mann, hätte sie ihm gesagt, dass sie ihren Rückflug selbst bezahlen würde. „Ich hatte von diesem Mann bis dahin noch nie gehört“, sagte Mooney.
Bei ihrer Ankunft auf dem Flughafen in San Diego wurde sie bereits von der kanadischen Presse erwartet. „Weil ich wieder in Ketten transportiert wurde, schmuggelten die Beamten mich durch eine Hintertür ins Gebäude.“
Von ihren Freunden erfuhr Mooney später, wie sie Anwälte und Medienreporter kontaktiert und unablässig in den Abschiebegefängnissen angerufen hatten, um mit Beamten der ICE zu sprechen.
„Das US-Immigrationssystem“, sagt Jasmine Mooney, „ist nicht schlicht ein bürokratischer Albtraum, sondern ein Geschäftsmodell“. Die Haft- und Vewahrungsanstalten würden von Privatfirmen betrieben, die Höhe ihrer staatlichen Zuschüsse basiere auf der Zahl der von ihnen inhaftierten Personen. Mooney meint: „Der Anreiz, Menschen wochenlang einzusperren, ist dementsprechend groß.“ Die Firma CoreCivic habe auf diese Weise in nur einem Jahr 560 Millionen Dollar verdient, die GEO Group habe sogar 763 Millionen Dollar staatliche Zuschüsse von ICE erhalten.
„Ich hatte einen kanadischen Pass, Anwälte, Geld, die Unterstützung von Freunden, Familie und Medien und sogar die Hilfe eines Politikers“, sagte Mooney. Dennoch habe sie zwei Wochen gebraucht, dieser Hölle zu entfliehen.
„Ich fühlte mich wie eine Geisel.“