Bildung: Kopfnoten und Versetzung – Protest gegen neue Schulordnung
Das Thüringer Bildungsministerium will die Schulordnung ändern – und stößt auf Widerstand vieler Gemeinschaftsschulen. Nun gibt es eine Demonstration vor dem Landtag.
Schüler, Eltern und Lehrer haben vor dem Thüringer Landtag gegen eine von der Landesregierung geplante Änderung der Schulordnung demonstriert. Die etwa 150 bis 200 Demonstranten wandten sich unter anderem gegen die geplante Neuregelung von Versetzungsentscheidungen und die mögliche Wiedereinführung von Kopfnoten. Beides sieht der aktuelle Regierungsentwurf vor. Schulen sollen unter anderem verpflichtet werden, bereits ab der sechsten Klasse zu entscheiden, ob ein Kind in die nächste Klasse versetzt wird oder nicht.
Bildungsstaatssekretär Bernd Uwe Althaus sagte, er nehme den Protest ernst, habe aber ein Problem damit, wenn man Kinder während des Schultags zu Demonstranten stelle und ihnen Plakate in die Hand drücke. Schüler hielten während der Kundgebung Plakate hoch, auf denen zum Beispiel stand „Kopfnoten? Erst mal Kopf anschalten!“ oder „Ich will lernen, keine Noten jagen“.
Sorge um Zukunft der Gemeinschaftsschulen
Gerade eine Versetzungsentscheidung ab Klasse 6 ist bei vielen Gemeinschaftsschulen im Freistaat umstritten, weil diese nach ihren Schulkonzepten erst später mit der Notenvergabe beginnen beziehungsweise Versetzungsentscheidungen treffen. Die jeweiligen Schulkonzepte waren in der Vergangenheit von den einzelnen Schulkonferenzen beschlossen worden.
Bildungsausschuss tagte
Kurz nach Beginn der Demonstration befasste sich der Bildungsausschuss des Landtags mit der geplanten Änderung. Nach Angaben der Linke-Bildungspolitikerin Ulrike Grosse-Röthig beantragte ihre Fraktion, den entsprechenden Tagesordnungspunkt öffentlich zu behandeln. Dafür fand sich im Ausschuss keine ausreichende Mehrheit. Der Tagesordnungspunkt wurde deshalb hinter verschlossenen Türen behandelt.
Die Thüringer Grünen kritisierten, dass die entsprechende Diskussion nicht-öffentlich geführt werde. „Es ist mehr als heuchlerisch, auf der Demonstration Dialogbereitschaft und Transparenz zu versprechen und dann eine öffentliche Behandlung im Ausschuss zu verhindern“, sagte die Grüne-Landessprecherin Ann-Sophie Bohm. Die umstrittene Änderung der Schulordnung solle offenkundig ohne Beteiligung der Betroffenen durchgewinkt werden. Die Grünen sind nicht mehr im Landtag vertreten.
Bei der Kundgebung kritisierten Redner, das Bildungsministerium versuche mit dem Entwurf für die neue Schulordnung unter dem Deckmantel einer angeblichen Gleichbehandlung der verschiedenen Schulformen in Wahrheit Gleichmacherei zu betreiben. Damit drohe vielen Gemeinschaftsschulen im Freistaat in ihrer bisherigen Form das Aus.
Minister in Berlin statt im Landtag
Staatssekretär Althaus wies das zurück. Er halte diese Kritik für nicht gerechtfertigt, sagte er. Es sei nötig, mit Schulgesetz und Schulordnung Vorgaben für die Schulen zu machen, die dann noch immer genügend Raum für individuelle Schulkonzepte ließen.
Auch die bildungspolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Carolin Gerbothe, versuchte Vorwürfe zu zerstreuen, es drohten mit einer neuen Schulordnung Schließungen von Gemeinschaftsschulen. „Keine einzige Schule ist in Gefahr, keine Schulart wackelt, wird benachteiligt oder gar abgeschafft, sodass die ausgerufene Rettung des Thüringer Schulfriedens überhaupt nicht notwendig ist“, sagte sie. Die Diskussion um eine Novelle dieser Verordnung habe gerade erst begonnen. Für die CDU gehörten Fördern und Fordern aber zusammen. „Deshalb ist das Vorhaben zur Versetzungsentscheidung und Einführung von Kopfnoten richtig.“
Bildungsminister Christian Tischner (CDU) war nicht zu den Demonstranten gekommen und nahm auch nicht an der Sitzung des Bildungsausschusses teil. Nach Angaben seines Ministeriums war er im Zuge der Koalitionsverhandlungen von CDU/CSU und SPD auf Bundesebene in Berlin.