Fußball-Nationalmannschaft: Alberei und Antipasti: Magie von San Siro als Titelfunke
In Mailand startet 1990 ein deutscher WM-Triumphzug. Nun soll von San Siro das Signal für den Nations-League-Titel und die WM 2026 ausgehen. Der Bundestrainer setzt dabei auch auf Rudi Völlers Frau.
Die Nationalspieler genossen Antipasti beim Nobel-Italiener, der Bundestrainer alberte mit Stargast Niclas Füllkrug am Trainingsplatz. Julian Nagelsmann ist die gute Laune trotz der großen Personalprobleme um die verletzten Florian Wirtz und Kai Havertz und des akuten Zeitmangels vor dem brisanten Doppelkracher gegen die Squadra Azzurra nicht vergangen.
„Mutig“ solle die Nationalmannschaft in die K.o.-Duelle der Nations League gegen Italien gehen, forderte der ehrgeizige Bundestrainer, vermied aber bewusst eine „Titelansage“. „Wir wollen nicht taktieren. Generell gehen wir so rein, dass wir beide Spiele gewinnen wollen“, fügte er nach der Ankunft in Mailand vor dem Viertelfinal-Hinspiel am Donnerstag (20.45 Uhr/ARD) an.
Die riesige Historie des Duells der beiden vierfachen Weltmeister hin oder her: Nagelsmann will die legendäre deutsch-italienische Fußball-Historie mit seinem ganz persönlichen Erfolgskapitel fortsetzen. „Ich hoffe, dass wir eigene Geschichten schreiben und weniger davon zehren, dass es in der Vergangenheit schon große Duelle gab“, sagte er.
Erst der Gewinn der Nations League in diesem Sommer, dann der WM-Triumph als Krönung 2026 in Amerika: Das ist natürlich Nagelsmanns Ziel – auch ohne explizite Ansage. Und Abwehrchef Antonio Rüdiger umschrieb die Siegeslust so: „Wir alle haben Blut geleckt. Titel ist Titel!“
Einen besseren Ort als das Giuseppe-Meazza-Stadion kann es für deutsche Fußballträume kaum geben. Der Bundestrainer warnte zwar vor einer Nostalgie-Falle. Der Magie von San Siro kann er sich aber auch nicht entziehen.
1990 wurde in dem Mailänder Betonklotz in fünf Partien, darunter das legendäre 2:1 im Achtelfinale gegen die Niederlande mit Rudi Völler als Hauptdarsteller, der Grundstein für den späteren WM-Sieg gelegt. „Das waren natürlich wunderbare Spiele“, erinnerte der DFB-Sportdirektor an den magischen italienischen Fußball-Sommer.
2001 holte der FC Bayern in Mailand den Champions-League-Pokal. „Heute ist ein guter Tag, um Geschichte zu schreiben“, prangte auf einem Münchner Fan-Transparent. Dieses Motto könnte auch Nagelsmanns Motivationsrede leiten.
„Ich weiß, dass viele so wandelnde Enzyklopädien des Fußballs sind. Ich beschäftige mich tatsächlich wenig mit der Vergangenheit. Ich versuche lieber, die Aktualität zu beeinflussen“, sagte der Bundestrainer. Nagelsmann lebt immer im Hier und Jetzt. Im Heute.
„Es sind zwei Spiele, die wir absolut positiv gestalten müssen und wollen“, fasste er den Wochenplan inklusive Rückspiel am Sonntag (20.45 Uhr/RTL) in Dortmund zusammen. Der Duktus ist seit dem unglücklichen EM-Aus gegen Spanien gleich. Titelkompetenz muss im Turniervorlauf erworben werden.
Siege für das WM-Selbstvertrauen
„Zudem habe ich schon mehrfach betont, dass es um die Weiterentwicklung eines guten Selbstverständnisses geht. Wenn man Spanien sieht, wenn man Argentinien sieht, wie viele Spiele sie vor ihren großen Titeln gewonnen haben, dann ist das ein wichtiger Faktor“, argumentierte der Bundestrainer.
Die aktuellen Aufgaben sind groß. Nicht nur Wirtz und Havertz fallen aus. Dazu fehlen auch Aleksandar Pavlovic und Benjamin Henrichs. Zudem Stammtorwart Marc-André ter Stegen und Torgarant Füllkrug schon seit mehreren Monaten. „Kompromisse“ habe er machen müssen bei der Kaderzusammenstellung, räumte Nagelsmann ein.
Das bedeutete für ihn, auch Spieler zu berufen, die in ihren Clubs nicht auf der Höhe sind, leistungsmäßig und mit ihren Einsatzzeiten. Namentlich nannte er Robert Andrich von Bayer Leverkusen oder Stuttgarts Deniz Undav. Eine Ausnahme soll das sein, Richtung WM. Das machte Nagelsmann jetzt klar.
„Das wissen auch die Spieler, dass sie mit 30 Prozent Spielzeit im Club höchstwahrscheinlich keine Spieler für die Nationalmannschaft sein können, weil dann die ganze simple Anzahl von Spielen viel zu wenig ist, um in der Lage zu sein, eine gute WM-Quali und eine gute WM zu spielen“, sagte Nagelsmann.
Im Tor ist die „Millimeter-Entscheidung“ (Nagelsmann) für Oliver Baumann als Nummer eins und Stellvertreter für ter Stegen gefallen. Alexander Nübel muss auf die Bank. Rückkehrer Leon Goretzka könnte dank blendender Form in der defensiven Mittelfeldzentrale beim Comeback nach 16 Monaten gleich wieder in die Startelf rücken. Als Nebenmann für Pascal Groß oder Angelo Stiller.
Musiala besonders im Fokus
Gravierend ist die Situation in der Offensive. Jamal Musiala ist der letzte verbliebene Wirbelwind aus der EM-Formation. Auf den Jungstar des FC Bayern wartet gegen Italien eine besondere Verantwortung – und eine Reifeprüfung. „Ich gebe ihm nicht mehr Verantwortung und Druck als sonst“, relativierte Nagelsmann: „Jamal soll spielen, was ihm Spaß macht.“ Ganz vorne darf vermutlich der im Herbst erfolgreich erprobte Gladbacher Tim Kleindienst ran.
Einen Startplatz sollte auch Musialas Bayern-Kollege Leroy Sané bekommen, allen Form- und Motivationsschwankungen zum Trotz. Die Mainzer Jonathan Burkardt und Nadiem Amiri sowie Stuttgarts Jamie Leweling bezeichnete Nagelsmann selbst als Energie-Optionen für einen Jokereinsatz.
Sané. Der Name führt sofort wieder in den deutsch-italienischen Fußball-Almanach. Der Münchner traf 2022 in San Siro beim 2:0 des FC Bayern in der Champions League bei Inter Mailand. Der Bayern-Trainer damals: Nagelsmann. Auch er kennt also schon den Geschmack eines Sieges in San Siro.
Jahrhundertspiel und Elfmeter-Drama
Die nostalgische Schwärmerei von 1990-Weltmeister Völler für die legendäre Rivalität mit der Squadra Azzurra will Nagelsmann nicht teilen. Aber der 37-Jährige weiß genau, was die Duelle für die deutschen Fußball-Fans bedeuten.
Das Jahrhundertspiel im WM-Halbfinale 1970 (3:4 n.V.), die WM-Finalniederlage 1982 (1:3), das verhinderte Happy End des Sommermärchens im WM-Halbfinale 2006 (0:2) im aktuellen Rückspiel-Ort Dortmund. Aber 2016 gab es bei der EM auch einen dramatischen Achtelfinal-Sieg des DFB-Teams im Elfmeterschießen.
Nagelsmann ist jede Unterstützung willkommen. Auch aus dem Hause Völler. „Ich bin natürlich auch nah dran mit Rudi, einem ehemaligen Römer Volkshelden, der sich auch extrem auf die Spiele freut. Und das mit einer italienischen Frau, die hoffentlich uns die Daumen drückt“, sagte Nagelsmann.