Gendarmenmarkt: 21 Millionen für eine Betonwüste – wie konnte das denn passieren?
Die Sanierung des Gendarmenmarkts in Berlin sorgt für Aufregung: Ist der einst „schönste Platz Berlins“ noch ein Aushängeschild für die Hauptstadt oder nur noch trostlos?
Dass sich Politiker von CDU und Linke mal einig sind, hätte im aktuellen politischen Klima wohl auch niemand für möglich gehalten. Und doch hat es „nur“ 21 Millionen Euro, zwei Jahre Bauzeit und eine 14.000 Quadratmeter große gepflasterte Fläche gebraucht. Die Neueröffnung des Gendarmenmarkts in Berlin-Mitte stößt über Parteigrenzen hinweg auf Kopfschütteln.
So schreibt der CDU-Bundestagsabgeordnete Armin Laschet über den Platz zwischen dem Konzerthaus, dem Deutschen und dem Französischen Dom: „Es ist weder aus ästhetischen, denkmalpflegerischen noch aus klimaresilienten Gründen zu begreifen.“ Der ehemalige Linken-Bundestagsabgeordnete Niema Movassat beschreibt den neu renovierten Platz auf X als eine „hässliche Betonwüste im Stil der 70er-Jahre“.
Zwar gleicht der Platz einer Ziegelsteinwüste und wird im Sommer vermutlich wenig einladend sein, wenn die Sonne unbarmherzig darauf niederbrennt. Doch ganz so umweltschädlich, wie es auf den ersten Blick scheint, ist er nicht. Unter der Pflasterung wurden sechs Auffangbecken für Regenwasser installiert, die das Wasser langsam versickern lassen und es so dem Grundwasser zuführen. Bisher floss das Regenwasser direkt in die Kanalisation und ging verloren.
Verantwortlich für den Umbau ist das landeseigene Unternehmen Grün Berlin. Die Sanierung setzte vor allem auf nachhaltige und energetische Projektziele. „Auf Basis eines umfangreichen Beteiligungsverfahrens hat Grün Berlin den Gendarmenmarkt fit für die Zukunft gemacht“, heißt es auf der Website des Stadtplanungsbüros.
21 Millionen Euro teure Betonfläche
Und doch sieht der Platz fast genauso aus wie zuvor – nur mit weniger Bäumen. Wie konnte es also zu einer 21 Millionen Euro teuren Betonfläche in Berlin-Mitte kommen?
Der Prozess begann bereits 2009, als die damalige Senatsbaudirektorin Regula Lüscher den Gendarmenmarkt restaurieren wollte. Die Bordsteinkanten sollten entfernt werden, um den Platz barrierefrei zu gestalten. Auch die Kabelanlagen, die im Sommer für Cafés und Bars genutzt werden und potenzielle Stolperfallen darstellten, sollten verschwinden. Und: Das alte Pflaster war marode und musste erneuert werden – jedoch ohne die historische Identität des Platzes zu zerstören.
Die Neueröffnung nach zwei Jahren: So sieht der Gendarmenmarkt in Berlin-Mitte jetzt aus
© Peter Meissner
Das Rastermuster des Platzes spielte dabei eine zentrale Rolle. Ursprünglich war es von den Nationalsozialisten entworfen worden, als der Gendarmenmarkt anlässlich der Olympischen Spiele 1936 als Aufmarschplatz umgestaltet wurde. Nach dem Krieg wurde dieses Muster auch in den Wiederaufbau des Konzerthauses und der beiden Dome integriert und zählt somit zum DDR-Kulturerbe.
„Dieses Erbe muss bewahrt werden“
Eine Entsiegelung des Platzes, die aus umweltpolitischer Sicht wünschenswert gewesen wäre, kam daher nicht infrage. „Auch dieses Erbe muss bewahrt werden“, erklärte der ehemalige Kultursenator Klaus Lederer, als die Senatskulturverwaltung 2021 die Platzgestaltung des Gendarmenmarkts unter Denkmalschutz gestellt hat. „Der Gendarmenmarkt ist schließlich der bedeutendste Platzraum der Postmoderne in der DDR.“
Laut dem Verein „Förderer und Freunde des Gendarmenmarkt e.V.“ sei die denkmalgerechte Gestaltung des Platzes durchaus gelungen. „Die historische Ausstattung wie Kandelaber, Bänke, Poller und Leuchten wurde in einen optisch-ansprechenden Zustand versetzt, der wieder gefahrloses Flanieren ermöglicht“, teilte der Verein in einer Pressemitteilung mit.
Kritik gibt es jedoch am Zustand des nördlichen Platzes hinter dem Französischen Dom. Dort verfallen die „beliebten und gerade in Hitzetagen dringend notwendigen, kühlenden, schattenspendenden“ Kugelahornbäume – ein Umstand, den der Verein als „schockierend und berlinbeschämend“ bezeichnet.
Berliner Verein ließ abstimmen
Dass es überhaupt noch Bäume am Gendarmenmarkt gibt, ist dem Einsatz des Vereins zu verdanken. „Wir haben schon vor 15 Jahren 35.000 Unterschriften zum Erhalt des Gendarmenmarkts in der bestehenden Form gesammelt“, sagte der Vereinsvorsitzende Frank Keidel dem stern. Der Senat wollte alle Bäume am Französischen Dom fällen, um den Platz komplett barrierefrei zu machen.
2010 fand daraufhin ein einmaliges Bürgerforum statt, bei dem Berlinerinnen und Berliner über die Neugestaltung des Platzes beraten konnten. Vor allem ging es um die 115 Ahornbäume, die für Schatten und ein angenehmes Klima rund um den Französischen Dom sorgten. „Die Berliner können im Bürgerforum selbst über die Zukunft der Bäume entscheiden“, erklärte damals Petra Rohland, Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.
Japanische Bäume statt heimischer Kugelahorn
Bei der Abstimmung sprachen sich 596 von 876 Teilnehmern für den Erhalt der Bäume aus. Doch kurz nach der Abstimmung stellte Senatsbaudirektorin Lüscher klar, dass sich die Verwaltung nicht an diese Entscheidung halten werde. „Man kann nicht davon ausgehen, dass nicht ein einziger Baum gefällt wird“, sagte sie 2011 der Berliner Zeitung.
Das oberste Ziel war die Barrierefreiheit – und dafür mussten einige Bäume weichen. Der Platz musste abgesenkt werden, um Barrierefreiheit zu schaffen. Laut der Website des landeseigenen Unternehmens Grün Berlin konnten einige der Bäume nicht abgesenkt werden, weil sich unter ihnen ein U-Bahn-Tunnel befindet.
Weitere Bäume waren nicht mehr gesund und mussten deshalb gefällt werden. Auf der Südseite wurden dafür drei neue japanische Schnurbäume gepflanzt, die als besonders hitze-, trockenheits- und abgasresistent sind. Mit einer ausladenden Krone von zwölf bis 18 Metern sollen sie künftig für ausreichend Schatten sorgen.
Dass einige Bäume gefällt werden mussten, kann Vereinsmann Frank Keidel nachvollziehen. Unverständlich sei jedoch, dass sich der Bezirk Mitte nicht um die verbliebenen Bäume kümmere. „21 Millionen Euro hat man für die Sanierung ausgegeben“, sagt Keidel. Für die Pflege der Bäume sei dagegen kein Geld investiert worden. Überwucherte Büsche, vertrocknete Hecken und bedrohliche Baumstümpfe seien ein Beweis für die „Lieblosigkeit und das Desinteresse“ des Bezirks.
Fakt ist: Auch in den sozialen Netzwerken sorgt die Neugestaltung für viel Spott und Kritik. Dort sehen viele Nutzer die Sanierung als ein weiteres Beispiel für teure, aber am Ende missratene Großprojekte.