Unglück in der Nordsee: „Zahlreiche Explosionen“ nach Kollision – Frachter hatte Natriumcyanid geladen
Nach dem schweren Unfall in der Nordsee zwischen einem Frachter und einem Öltanker sind die Brände weiterhin nicht gelöscht. Ein hochgiftiger Stoff bietet Anlass zur Sorge.
Ein Öltanker steht in der Nordsee nahe der britischen Küste weiterhin in Flammen, das Feuer konnte auch in der Nacht nicht gelöscht werden.
Der Tanker mit dem Namen „Stena Immaculate“ war mit dem von einer deutschen Reederei Ernst Russ betriebenen Frachtschiff „Solong“ nahe der Hafenstadt Hull in der ostenglischen Grafschaft East Yorkshire zusammengestoßen und geriet in Brand. Auf Fotos und Videos von der Unglücksstelle sind dichte Rauchschwaden zu sehen.
Der Betreiber des Öltankers, die schwedische Reederei Stena Bulk, sprach nach dem Unglück von „zahlreichen Explosionen“, infolge derer die Crew das Schiff verlassen habe. Der Leiter des Hafens von Grimsby äußerte, ihm sei von einem „Feuerball“ berichtet worden.
Behälter mit Kerosin und Natriumcyanid bei Kollision getroffen
Nach Angaben des US-Schifffahrtsunternehmens Crowley mit Sitz in Florida wurde auch ein mit Kerosin gefüllter Tank durch den Aufprall beschädigt, der Flugzeugtreibstoff lief demnach auch ins Meer. Die „Solong“ wiederum soll mehrere Behälter mit Natriumcyanid geladen haben. Ob davon etwas ins Wasser gelangte, ist unklar. Natriumcyanid ist eine giftige Substanz, die das Ökosystem belasten kann.
Der Öltanker hatte nahe der Hafenstadt Hull geankert, als er von der „Solong“ gerammt wurde. Die britische Küstenwache leitete daraufhin einen Großeinsatz zur Rettung der Besatzungen und zur Löschung der Brände ein. Von den 36 geretteten Besatzungsmitgliedern beider Schiffe wurde laut Küstenwache eines ins Krankenhaus gebracht.
Die Suche nach einem vermissten Besatzungsmitglied der „Solong“ wurde eingestellt, wie ein Vertreter der Küstenwache am späten Montagabend mitteilte.
Ein Sprecher des britischen Premierministers Keir Starmer äußerte, es sei eine „äußerst besorgniserregende Situation“. Ohne weitere Details zu kennen, werde nicht über die Unglücksursache spekuliert. Laut BBC hatte der Tanker Treibstoff des US-Verteidigungsministeriums geladen. Die „Stena Immaculate“ fährt unter US-Flagge, die „Solong“ unter portugiesischer.
Greenpeace sieht Anlass zu großer Sorge
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace in Großbritannien teilte mit, man beobachte die Berichte genau. „Sowohl die hohe Geschwindigkeit als auch die Videos von den Folgen geben Anlass zu großer Sorge“, sagte ein Sprecher auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.
Es sei aber noch zu früh, das Ausmaß von Schäden für die Umwelt zu bestimmen, so der Sprecher weiter. Die Größenordnung von Auswirkungen hingen von mehreren Faktoren ab, darunter des Typs und der Menge an Öl, die der Tanker geladen habe, dem Treibstoff in beiden Schiffen und wie viel davon ins Wasser gelangt sei.
Wie sich ein Austritt von Öl auswirke, hänge auch stark von den Wetterbedingungen ab. „Im Falle einer Ölpest oder eines Verlusts von Gefahrgut aus dem betroffenen Containerschiff wird auch die Schnelligkeit der Reaktion entscheidend sein, um Auswirkungen zu begrenzen“, sagte der Greenpeace-Sprecher.
Der Vorsitzende des Stadtrates der nahegelegenen Stadt Hull sprach in der BBC von einer „verheerenden“ Lage. Die potenziellen Umweltfolgen seien besorgniserregend, in den kommenden Tagen müsse „sehr schnell“ daran gearbeitet werden, diese zu verstehen. Die Küstenwache prüft, ob und welche Maßnahmen zur Bekämpfung von Umweltbedrohungen erforderlich sein könnten.
Schiffsunglück auf der Nordsee
Das deutsche Havariekommando hat ein Mehrzweckschiff zur Unterstützung entsendet. Die „Mellum“ der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes soll am Dienstagmittag eintreffen, wie das Havariekommando mitteilte.
Der Heimathafen des Mehrzweckschiffs ist Wilhelmshaven. Die „Mellum“ könne unterschiedliche Rollen einnehmen und sei unter anderem mit Technik zur Brandbekämpfung sowie zur Aufnahme von Öl ausgerüstet. Rund 20 Menschen seien an Bord, hieß es.
Hinweis: Dieser Artikel wurde mehrfach aktualisiert.
Weitere Quelle: Schiffsliste auf stenabulk.com.