[REQ_ERR: 526] [KTrafficClient] Something is wrong. Enable debug mode to see the reason. Aufrüstung: Eine deutsche Bombe? – Beste Nachrichten

Aufrüstung: Eine deutsche Bombe?

Deutschland verfügt über die Technik und die Expertise, eine eigene Atombombe zu bauen. Doch der atomare Gefechtskopf ist nur ein Teil eines hochkomplexen Systems. 

Die Frage, ob Deutschland Atommacht werden sollte oder muss, wird heiß diskutiert. Doch zunächst stellt sich eine andere Frage: Kann Deutschland überhaupt eine Atombombe bauen?
Die technische Antwort lautet eindeutig: Ja, der Bau einer Atombombe ist möglich. Darüber sind sich alle Experten einig. Bereits vor acht Jahren hielt Rainer Moormann, ehemaliger Mitarbeiter des Jülich Research Centers, einen Vortrag zu diesem Thema. Damals war er eher ein Gegner einer atomaren Bewaffnung. 

Die einfachste Atombombe

Der einfachste Weg zur Atombombe wäre ein Quasi-Nachbau der Hiroshima-Bombe. Dabei werden zwei Teile aus spaltbarem Material durch eine Explosion aufeinander geschossen. Zusammen erreichen sie die kritische Masse, und es kommt zur Detonation. Diesen simplen Weg könnten heute auch Terrororganisationen beschreiten, sofern sie genügend angereichertes Material besäßen. Der Vorteil der Hiroshima-Bombe liegt in der Einfachheit der Konstruktion, dem Verzicht auf spezielle Elektronik und ihrer hohen Zuverlässigkeit. Im modernen militärischen Atomwaffenbau wird dieses Prinzip jedoch längst nicht mehr genutzt. Dieser Bombentyp ist relativ ineffizient, da er weniger Sprengkraft aus dem Material gewinnt als moderne Verfahren. Hinzu kommt die Größe des Geräts: Ein solcher Sprengkopf ist für heutige Trägersysteme wie Raketen oder Marschflugkörper ungeeignet.

Stattdessen setzen moderne Atomwaffen auf das Konzept der Implosionsbombe. Hierbei umgibt eine äußere Kugel eine Hohlkugel aus Plutonium. An der Innenseite der äußeren Kugel sind Sprengladungen angebracht, die so gezündet werden müssen, dass sie eine exakt kugelsymmetrische Druckwelle erzeugen. Diese Druckwelle komprimiert das Plutonium im Inneren, wodurch die explosive Kettenreaktion ausgelöst wird. Das klingt einfach, doch Zündung und Druckwelle müssen extrem präzise aufeinander abgestimmt sein, um die Kompression an einem Punkt zu erreichen. Schon kleinste Abweichungen könnten das Spaltmaterial unkontrolliert auseinander treiben und die Reaktion verhindern.

Doch kann Deutschland diese Technik beherrschen? Laut Moormann ist sowohl die Aufbereitung des Bombenmaterials als auch die Implosionstechnik machbar. Das Material könnte durch Anreicherung in Gaszentrifugen hergestellt werden: „Die Technologie der Urananreicherung ist in Deutschland hoch entwickelt.“ Ausgehend von den Forschungsanlagen in Jülich und Gronau wären keine weiteren technischen Entwicklungen nötig, um waffenfähiges, hochangereichertes Uran zu produzieren. Allerdings reichen die bestehenden Anlagen für den Bombenbau nicht aus – die Technologie müsste in einer größeren Anlage umgesetzt werden. „Dann ließe sich die erforderliche Menge für einige Atomsprengköpfe in drei bis fünf Jahren erzielen.“

Brüterverfahren unwahrscheinlich

Neben der Urananreicherung wäre auch die Produktion von waffenfähigem Material in Reaktoren möglich. Doch durch Deutschlands Ausstieg aus der Brütertechnologie, der Wiederaufbereitung und schließlich der Kernenergie insgesamt fehlen hier die Voraussetzungen. „Ohne langen Vorlauf und einen Wiedereinstieg in die Kernenergiegewinnung macht dieser Weg kaum Sinn“, so Moormann. Eine dritte Methode – das Brüten in speziellen militärischen Kleinreaktoren – bleibt Zukunftsmusik und wäre ebenfalls mit erheblichem Vorlauf verbunden.

Auch die Implosionstechnik für den Waffenbau könnte Deutschland innerhalb von etwa fünf Jahren meistern, meint der Experte. Zwar fehlt dem Land eigene Erfahrung, doch die Herausforderungen dieser Methode sind bekannt, was den Weg erleichtern würde. Moormanns Fazit: „Wir wären in wenigen Jahren in der Lage, wirksame Atomsprengsätze zu bauen.“ Allerdings basiert diese Schätzung auf idealen Bedingungen – etwa ohne langwierige Genehmigungsverfahren. Auch Atomwaffen-Experte Graham Allison sagte vergangenes Jahr im stern-Interview: „Wenn Deutschland die Bombe wollte, könnte es rasch eine bauen. Atombomben sind eine alte Technologie.“

Kein Testgelände

Ein technisches Problem bleibt: die Testphase. Ober- oder unterirdische Tests sind in Europa kaum durchführbar, ohne Umweltkatastrophen oder diplomatische Krisen zu riskieren. Ein Testverzicht würde die Zuverlässigkeit der Waffe ungewiss lassen. Ein funktionsfähiger Gefechtskopf ist nur ein Teil eines komplexen Systems, das ihn einsatzfähig macht. Am einfachsten wäre der Bau von Freifallbomben. Diese sind jedoch aus verschiedenen Gründen überholt: Sie sind ungenau, und das abwerfende Flugzeug müsste das Ziel sehr nah anfliegen, ohne vorher abgeschossen zu werden. 

Erfahrungen mit weitreichenden ballistischen Raketen fehlen Deutschland derzeit, und ein Neustart in diesem Bereich dürfte kaum in fünf Jahren zum Ziel führen. Anders sieht es bei Marschflugkörpern wie dem Taurus aus: Basierend auf der vorhandenen Technologie könnten atomwaffenfähige Marschflugkörper entwickelt werden. Damit solche Systeme – ob konventionell oder atomar bestückt – jedoch Ziele treffen, sind umfassende Aufklärung des Gebiets und der Luftabwehr auf dem Weg dorthin erforderlich. Davon ist Deutschland weit entfernt.

Rechtliche Hürden

Neben den technischen Herausforderungen gibt es die politischen Aspekte. In der Bevölkerung dürfte eine atomare Bewaffnung mit zunächst wenigen Gefechtsköpfen umstritten sein. Neben politischem Widerstand stellt die deutsche Geschichte eine Hürde dar. Die Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg hat eine pazifistische Grundstimmung gefördert, die ein Atomwaffenprogramm als unvereinbar mit nationalen Werten sieht. Auch Experten könnten aus ethischen Gründen zögern. Als Unterzeichner des Nichtverbreitungsvertrags (NVV) ist Deutschland völkerrechtlich gebunden, keine Atomwaffen zu entwickeln. Deutschland hat sich außerdem im 2+4-Vertrag von 1990 verpflichtet, auf Atomwaffen zu verzichten. Ein eigenes Bombenprogramm würde diesen Vertrag infrage stellen und die Beziehungen zu den Vertragspartnern, insbesondere Russland und den USA, belasten.

Mögliche Sanktionen 

Sollte Berlin zur Bombe greifen, könnten andere europäische Mächte nachziehen. Besonders Polen dürfte eine einseitige deutsche Aufrüstung missfallen. Das Beispiel Nordkorea zeigt, dass Atomwaffen ein Land nahezu unangreifbar machen können. Auch Finnland könnte dies reizen. Die Finnen könnten sich für eine skandinavische Bombe erwärmen. Wenn regionale Mächte in Europa atomar aufrüsten, was sollte dann Länder wie Taiwan, Südkorea oder Staaten der BRICS-Gruppe davon abhalten? 

Ein Verstoß oder Ausstieg aus dem Vertrag könnte Sanktionen nach sich ziehen und wird das globale Nichtverbreitungsregime beeinträchtigen. Es würde alle Bemühungen zunichtemachen, die Atomwaffenarsenale von USA, Russland und China zu begrenzen. Es ist keineswegs sicher, dass auch nur eine dieser drei Mächte eine „Berliner Bombe“ wohlwollend betrachten würden. Ohne Zustimmung Washingtons könnte der Weg steinig werden. Sollte sich die US-Regierung den deutschen Atomplänen widersetzen, könnten Personen und Firmen, die am Projekt beteiligt sind, mit empfindlichen Sanktionen rechnen. 

Neben den USA dürften auch Russland und China eine deutsche Bombe mit Misstrauen betrachten. Moskau könnte sein Arsenal in Kaliningrad ausbauen, während Peking seine Haltung zur Nichtverbreitung überdenken könnte. Langfristig könnte Deutschland zwar eigenes Uran fördern, doch das ändert nichts an den unmittelbaren politischen Hürden.