Schule: Nach Urteil: Wie weiter mit dem Schwimmunterricht?
Nach dem Urteil gegen zwei Lehrkräfte wegen des Todes eines Schülers im Schwimmunterricht ist die Verunsicherung groß. Das Ministerium will unter anderem mit Fortbildungen reagieren.
Nach dem Urteil gegen zwei Pädagoginnen wegen des Todes eines siebenjährigen Schülers stellt der Lehrerverband VBE den Schwimmunterricht in Baden-Württemberg infrage. „Ist mit Blick auf das erfolgte Urteil der Schwimmunterricht überhaupt noch durchführbar?“, schreibt VBE-Chef Gerhard Brand in einem Brief an Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) und mehrere Bildungspolitiker im Landtag. Der Brief liegt der Deutschen Presse-Agentur vor, zuvor hatte die „Südwest Presse“ darüber berichtet.
Ende Februar hatte das Amtsgericht Konstanz nach dem Tod eines Zweitklässlers im Schwimmunterricht eine Lehrerin und die damalige Referendarin der fahrlässigen Tötung schuldig gesprochen.
Das Urteil verunsichere Lehrerinnen und Lehrer im Land, die Schwimmunterricht erteilten, erklärte Brand. „Die Lehrkräfte hatten sich an die Vorgaben des Kultusministeriums gehalten, sie sogar übertroffen. Denn es war nicht nur eine Lehrkraft, sondern sogar zwei im Schwimmbad. Uns erschreckt, dass die beteiligten Lehrkräfte nun dennoch verurteilt wurden“, heißt es in dem Brief. Viele Lehrkräfte stellten sich nun die Frage, ob und wie der Schwimmunterricht unter diesen Vorzeichen überhaupt noch möglich sei.
Ministerium: Vorgaben sind detailliert und gut geeignet
„Die Vorgaben für den Schwimmunterricht sind detailliert und sehr gut geeignet, um Handlungssicherheit für die Aufsicht im Schwimmunterricht zu geben“, teilte ein Sprecher des Kultusministeriums mit. Unsicherheiten will das Ministerium Lehrkräften und Schulleitungen unter anderem mit neuen Fortbildungen nehmen.
Man wolle nach dem Urteil das Fortbildungsangebot ausbauen und prüfe auch den Einsatz eines virtuellen Tools zur Sicherheitsunterweisung, so der Sprecher. „Wir werden außerdem einen Lehrgang entwickeln, in der wir Schulleitungen und Lehrkräften, die durch den tragischen Fall verunsichert sind, die Handlungssicherheit hinsichtlich des Schwimmunterrichts zurückgeben.“ Zudem sollen die Vorgaben zur Gruppengröße angeschaut werden.
Richter: Tod hätte verhindert werden können
Das Urteil gegen die Lehrkräfte ist noch nicht rechtskräftig, beide Anwälte hatten nach dem Urteilsspruch angekündigt, Berufung einlegen zu wollen. Angeklagt waren die beiden Pädagoginnen wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassung. Der Zweitklässler war bei seiner ersten Schwimmstunde am 18. September 2023 ertrunken. Zu dem Unglück kam es nach Ansicht des Gerichts, weil alle 21 Schülerinnen und Schüler gleichzeitig ins Wasser gelassen wurden – darunter Schwimmer und Nichtschwimmer.
Die 44-jährige Lehrerin wurde zu neun Monaten Haft auf Bewährung und einer Schmerzensgeldzahlung von 10.000 Euro an die Eltern des Jungen verurteilt. Die heute 28 Jahre alte damalige Referendarin bekam sechs Monate Haft auf Bewährung und soll mindestens 7.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Beide Strafen werden auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Aus Sicht des Richters hätte der Tod des Jungen verhindert werden können.
Aus Sicht des VBE reicht die Reaktion des Kultusministeriums nicht aus. Das Ministerium müsse beantworten, wie es sein könne, dass das Ministerium für den Schwimmunterricht einen Rahmen setze, der offenbar nicht vor einer strafrechtlichen Verurteilung schütze, sagte Landeschef Gerhard Brand. „Es darf nicht sein, dass Kolleginnen, die ihren Dienst korrekt ausüben, sich hinterher vor Gericht verantworten müssen“, so Brand. Im Zweifel müssten die Vorgaben verschärft werden.
Hätten Schülergruppen geholfen?
Der Tod des Jungen sei durch unzureichende Sicherheitsvorkehrungen möglich gewesen, hieß es bei der Urteilsverkündung in Konstanz. Aus Sicht des Richters hätten zur Sicherheit Gruppen gebildet werden müssen. Die Pädagoginnen hätten keinen Überblick gehabt über das Geschehen. Die Lehrerin hatte vor Gericht erklärt, dass sie die Kinder im Blick gehabt habe.
VBE-Chef Brand bezweifelt, dass die Aufteilung in Gruppen mehr Sicherheit bringt. „Wenn man Gruppen bildet, wird die Aufsicht viel schwieriger“, sagte er. Dann müsse eine Kollegin die Gruppe im Wasser beaufsichtigen und die andere die Gruppe außerhalb des Wassers. Zudem zeige die Erfahrung, dass die Kinder, die außerhalb des Wassers warten müssten, oft unruhig würden. „Das ist viel schwieriger, als wenn beide Kolleginnen gemeinsam auf eine Gruppe von 21 Kindern im Wasser schauen können“, erklärte Brand.
Auch fehlende Schwimmbäder sind Problem
Die Bildungsgewerkschaft GEW sieht den Schwimmunterricht im Land generell nicht gut aufgestellt. „An vielen Grundschulen fehlt Personal. Das Erste, was ausfällt, ist oft Sport und Schwimmen“, sagte Landeschefin Monika Stein.
Einer Auswertung des Kultusministeriums zufolge konnten im vergangenen Schuljahr rund ein Fünftel aller Grundschulen im Südwesten gar keinen Schwimmunterricht anbieten. An gut 1.900 von insgesamt knapp 2.400 Grundschulen und Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren fand Schwimmunterricht statt, heißt es in einer Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion im Landtag. Jede fünfte Schule bot keinen entsprechenden Unterricht an.
Als Grund für den fehlenden Schwimmunterricht führten die Grundschulen fehlenden Zugang zu Wasserflächen, fehlende qualifizierte Lehrkräfte oder eine Kombination aus beiden Problemen an.