Equal Pay Day: Darum verdienen Frauen immer noch weniger als Männer
Der Equal Pay Day zeigt: Frauen werden im Schnitt deutlich schlechter bezahlt als ihre männlichen Arbeitskollegen. Warum ist das so? Und wie ließe sich das ändern?
Trauriges Ergebnis der Europäischen Kommission: In der gesamten Union verdienen Frauen durchschnittlich knapp 13 Prozent weniger als Männer. Für einen Euro, den ein Mann verdient, erhält eine Frau demnach ungefähr 87 Cent. Diesen Missstand will die EU ins öffentliche Bewusstsein rücken, darum gibt es in der EU den „Equal Pay Day“. In Deutschland fällt er dieses Jahr auf den 7. März. Das Datum entspricht dem Tag, von dem an Frauen rechnerisch gesehen zusätzlich arbeiten müssen, um das gleiche Lohnniveau wie Männer zu kommen. Im April haben die EU-Mitgliedsstaaten eine Richtlinie verabschiedet, um den Gender Pay Gap zu schließen. Mehrere Staaten müssen die Regelung aber noch in nationales Recht umsetzen.
In Deutschland haben mehrere Frauen gegen die Einkommensunterschiede geklagt. Hier verdienen Frauen durchschnittlich 16 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Der Wert wird jährlich vom Statistischen Bundesamt berechnet und ist in den vergangenen Jahren gesunken.
Vor Gericht wurden die meisten der klagenden Frauen mit Sprüchen abgefertigt – nur eine bekam Recht, wurde vom Arbeitgeber mit 14.500 Euro ausgezahlt und erhielt zusätzlich eine Entschädigung für die Rechteverletzung. Im Februar fällte ein Richter in Erfurt ein Grundsatzurteil. Verhandlungsgeschick zählt damit nicht mehr als Argument, wenn ein Mann mehr verdient als seine Kollegin.
Für Frauen ist es jetzt einfacher, das einzufordern, was ihnen zusteht: eine gleichberechtigte Bezahlung. Die Ampel-Regierung wollte die Kluft bis 2030 weiter reduzieren, auf 10 Prozent. War das realistisch? Und warum verdienen Frauen überhaupt weniger als Männer? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Gender Pay Gap:
Was ist der Gender Pay Gap?
Der Gender Pay Gap beschreibt den Verdienstunterschied von Frauen und Männern pro Arbeitsstunde. In Deutschland wird der Wert seit 1995 berechnet. Man unterscheidet zwischen dem bereinigten und unbereinigten Gender Pay Gap. Je nachdem, welche Faktoren in der Berechnung berücksichtigt werden, fällt der Lohnunterschied höher oder niedriger aus. Dass die Arbeit von Frauen und Männern unterschiedlich honoriert wird, hängt nicht nur mit Diskriminierung zusammen, sondern hat auch strukturelle Gründe. Die Internationale Labour Organisation nennt unter anderem Ausbildung, Qualifikation und Arbeitszeiten.
Warum zwei Werte zur Lohnlücke?
Beim unbereinigten Gender Pay Gap werden die Bruttogehälter von Männern und Frauen insgesamt vergleichen. „Das bedeutet, dass hier Verdienste von Vorständen, Altenpflegern und Sekretärinnen gleichermaßen einfließen“, erklärt Leonie Schröder, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich der Verdienststatistiken beim Statistischen Bundesamt. Berücksichtigt werden dabei auch (Alters-)Teilzeit, geringfügig Beschäftigte und Auszubildende. Der unbereinigte Gender Pay Gap liegt derzeit bei 16 Prozent und zeigt den durchschnittlichen Verdienstunterschied zwischen den Geschlechtern unabhängig von Merkmalen wie Position oder Qualifikation an.
Der bereinigte Gender Pay Gap ist methodisch anspruchsvoller, weil hierfür Einzeldaten der Beschäftigten abgefragt werden müssen. Er wird seit 2004 erhoben und liegt aktuell bei sechs Prozent.
Dabei wird der Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen mit vergleichbaren Eigenschaften erhoben. „Beim bereinigten Gender Pay Gap schauen wir, wo die Ursachen für die Verdienstlücke liegen. Messbare lohnbestimmende Unterschiede von Frauen und Männern werden hier weitgehend herausgerechnet. Dadurch erhalten wir die Verdienstlücke zwischen Frauen und Männern mit annährend vergleichbaren Eigenschaften. Was in unserer Erhebung allerdings fehlt, sind zum Beispiel Informationen zu Erwerbsunterbrechungen“, sagt Schröder. Mit diesen Informationen würde der Wert wahrscheinlich noch geringer ausfallen. Der bereinigte Gender Pay Gap sei deshalb nicht mit Diskriminierung gleichzusetzen, weil er die Geschlechter mit vergleichbarer Position und Qualifikation vergleicht. Derzeit liegt der bereinigte Gender Pay Gap bei sieben Prozent.
„Beide Werte haben zwar eine unterschiedliche Aussagekraft, aber auch ihre Daseinsberechtigung“, sagt Schröder. Beim unbereinigten Gender Pay Gap gehe es auch um Zugangshürden auf dem Arbeitsmarkt. „Mit dem bereinigten Gender Pay Gap können wir die Ursachen für die unterschiedlichen Verdienste herausstellen.“
Für die Berechnung beider Werte nutzen die Statistiker den Bruttostundenlohn, weil die Monats- oder Jahresverdienste die Statistik wegen unterschiedlichem Beschäftigungsumfang verfälschen würde.
Wie steht Deutschland im internationalen Vergleich da?
Weltweit liegt der Gender Pay Gap bei 20 Prozent – Frauen verdienen demnach ein Fünftel weniger als Männer. Allerdings variiert dieser Wert je nach Land und Region – auch innerhalb Europas. Die Verdienstkluft in der Bundesrepublik fällt im europäischen Vergleich sehr hoch aus. Laut der Statistikplattform Eurostat rangiert Deutschland auf dem viertletzten Platz. Am höchsten ist der Gender Pay Gap in Estland (21,3 Prozent) und am niedrigsten in Luxemburg (0,7 Prozent).
„Das liegt mit daran, dass die Erwerbsbeteiligung der Frauen in manchen Ländern im Vergleich zu Deutschland niedriger ist“, räumt Schröder ein. Die wenigen beschäftigten Frauen sind zum Beispiel in Italien in besser bezahlten Bereichen und Positionen tätig. Das senkt zwar den Gender Pay Gap, ändert grundsätzlich aber kaum etwas an der Gleichberechtigung und -verteilung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt. Die geschlechtlichen Lohndifferenzen sind deshalb länderübergreifend schwer zu vergleichen.
Wie wird der Gender Pay Gap berechnet?
Das Statistische Bundesamt berechnet die Lohnlücke anhand von Lohnabrechnungen von ungefähr 58.000 Betrieben in der Bundesrepublik aus dem Monat April. „Der April ist der erste Monat im Jahr ohne saisonale Effekte“, sagt Schröder. Deshalb gelten Daten aus dem Monat als besonders repräsentativ. Neben Saisoneffekten werden auch die Wirtschaftszweige öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung, Fischerei und Landwirtschaft bei der Berechnung ausgeschlossen.
In welchen Branchen ist die Lohndifferenz am größten?
„Mit 27 Prozent ist der Gender Pay Gap im Bereich von Banken und Versicherungen am höchsten“, sagt Schröder. Im Informations- und Kommunikationssektor liegt der Wert bei 23 Prozent, bei Steuer- und Unternehmensberatungen bei 20 Prozent. Schröder vermutet: „Das hängt möglicherweise damit zusammen, dass beispielsweise Banken und Versicherungen männliche Karriere-Domänen sind.“ Führungspositionen seien dort überwiegend männlich besetzt. Auch bei Freiberuflern, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen sei der Wert hoch.
Laut Mikrozensus sind Frauen vor allem im Handel, dem Gastgewerbe, in Erziehung und Bildung, Gesundheits- und Sozialwesen, Kunst, Unterhaltung und Erholung tätig. Innerhalb dieser Wirtschaftsbereiche liegt der Frauenanteil bei 49 Prozent.
Warum steigt der Gender Pay Gap mit dem Alter?
„Der Gender Pay Gap könnte mit zunehmenden Alter steigen, weil Frauen ihre Karriere im Laufe ihres Arbeitslebens immer wieder unterbrechen“, heißt es auf der Statistikplattform Eurostat. Das belegen auch Daten des Demografieportals. 2020 war jede zweite erwerbstätige Frau teilzeitbeschäftigt. Bei den Männern war es nur jeder Achte. Fast die Hälfte aller befragten Frauen gab an, aus persönlichen oder familiären Verpflichtungen in Teilzeit tätig zu sein, bei den Männern sagten das nur elf Prozent. Die meisten von ihnen (25 Prozent) gingen wegen einer Aus- oder Fortbildung einer Teilzeitbeschäftigung nach, bei den Frauen sind es sieben Prozent.
Gründe für eine Teilzeitbeschäftigung
© Bund-Länder Demografieportal
Die Statistiker des Statistischen Bundesamtes sagen, dass die Verdienste von Frauen nach der Geburt des ersten Kindes stagnieren, „während die der Männer ziemlich stark ansteigen“. „Männer scheinen dann mehr Karriere zu machen und höhere Verdienste zu erzielen“, sagt Schröder. Auch hier zeigen die Zahlen: Männer arbeiten unabhängig vom Alter des (jüngsten) Kinders durchschnittlich über 80 Prozent in Vollzeit.
Eltern in Teil- und Vollzeit
© Demografieportal
Über 50 Prozent der erwerbstätigen Frauen mit Kindern bleiben teilzeitbeschäftigt. „Es gibt aber auch viele in Teilzeit erwerbstätige Frauen, die gerne mehr Stunden arbeiten würden. Ein Grund für die hohe Teilzeitquote könnte ein zu geringes Angebot an Ganztagsbetreuung für Kinder sein“, heißt es beim Demografieportal.
2024 verzeichneten die Statistiker aber einen neuen Rekord bei den beschäftigten Frauen: 16,2 Millionen Frauen waren demnach sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das waren über 90.000 mehr als im Vorjahr.
Gibt es Unterschiede zwischen den Bundesländern?
2022 wurde erstmals der Gender Pay Gap nach Bundesländern erhoben. Die durchschnittliche Lohnlücke zwischen den Geschlechtern ist mit 27 Prozent in Baden-Württemberg am höchsten und in Sachsen-Anhalt am niedrigsten (neun Prozent). Blickt man auf den bereinigten Wert, dann ändert sich das Bild: Auf dem unrühmlichen ersten Platz liegt Brandenburg mit neun Prozent, in Schleswig-Holstein ist die Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen mit vergleichbarer Qualifikation, Ausbildung und Position mit vier Prozent am geringsten.
„In Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt ist der bereinigte Gender Pay Gap größer als der unbereinigte“, lautet das Fazit der Studie. Das bedeutet, das Frauen in diesen Bundesländern über Eigenschaften verfügen, die eine höhere Bezahlung rechtfertigen.
Equal Pay Day: Werden Frauen und Männer irgendwann gleich viel verdienen?
Die Ampel-Regierung hatte sich das Ziel gesetzt, den unbereinigten Gender Pay Gap bis 2030 auf zehn Prozent zu reduzieren. Laut Schröder gibt es bestimmte Faktoren, die sich in den nächsten Jahren auf die Verdienstunterschiede auswirken könnten: „Die geburtenstarken Jahrgänge mit tendenziell eher traditionellen Rollenbildern gehen jetzt in den Ruhestand. Jahrgänge, bei denen diese Rollenverteilung weniger stark ausgeprägt ist, rücken nach.“ Aber auch die Strukturen müssten sich dafür ändern. Konkret bedeutet das: die Kinderbetreuung ausbauen, Führungspositionen vermehrt mit Frauen besetzen, mehr Gehalt in typischen Frauenberufen.
In einer Studie konnten die Statistiker zeigen, wie sich ein höherer Mindestlohn und Verdienstaufschläge für Frauen auf den Gender Pay Gap auswirken. Bei der Mindestlohnerhöhung profitieren Frauen und Männer gleichermaßen. Läge der Mindestlohn bei 15 Euro, könnte der unbereinigte Gender Pay Gap laut Simulation auf 17 Prozent sinken. Die Studienautorin schlägt vor, den Mindestlohn gezielt in Wirtschaftsbereichen zu erhöhen, die besonders stark von Frauen besetzt sind, allerdings zeigt die Simulation auch, dass eine Erhöhung des Mindestlohns in von Frauen besetzten Gebieten nur geringe Auswirkungen auf den unbereinigten Gender Pay Gap haben.
Verdienstaufschläge für Frauen um einen Euro pro Stunde würden den Gender Pay Gap auf 15,5 Prozent senken. „Eine flächendeckende Erhöhung des Bruttostundenverdienstes der Frauen (…) erzielt damit eine stärkere Wirkung auf den Gender Pay Gap als die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns (…) für alle Branchen“, heißt es in dem Simulationsbericht. Um das Ziel der Bundesregierung, den Gender Pay Gap bis 2030 auf 10 Prozent zu reduzieren, zu erreichen, müsste der Bruttostundenverdienst der Frauen um 2,20 Euro erhöht werden. Allerdings wäre das die am wenigsten geschlechtergerechte Maßnahme.
In einer Studie plädiert die Internationale Labour Organization für eine Pay Transparency Legislation. Sie wurde bereits in mehreren Staaten, etwa in Kanada, Chile, den Vereinigten Staaten, aber auch in einigen EU-Ländern eingeführt. Dabei handelt es sich um ein Tool, um die Bezahlung von Frauen und Männern zu kontrollieren. Angestellte sollen etwa Zugriff auf Bezahlungslevel haben.
In Deutschland gibt es etwas ähnliches in abgeschwächter Form: Die Bundesregierung hat 2017 das sogenannte Entgelttransparenzgesetz eingeführt. Arbeitgeber müssen ihre Beschäftigten auf Anfrage über die Kriterien ihrer Bezahlung informieren. Private Arbeitgeber müssen zudem regelmäßig ihre Entgeltstrukturen offenlegen und Lageberichte zur Gleichberechtigung bei der Bezahlung erstellen.
Kritiker befürchten allerdings, dass durch die Transparenz das Gehalt der Männer herabgesetzt werden könnte.
Quellen: Statistisches Bundesamt, Demografieportal Bund-Länder, Eurostat, International Labour Organization, Pay Transparency Legislation-Report, Studie Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen, Verdienstunterschiede von Männern und Frauen nach Bundesländern