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Prozess in Lübeck: Haushaltshilfe plündert Konto alter Dame und muss ins Gefängnis

Das Landgericht Lübeck hat ihre Gefängnisstrafe bestätigt: Mindestens 378.000 Euro soll eine Haushaltshilfe aus dem Vermögen einer alten, dementen Frau veruntreut haben.

Franciska M. will nicht ins Gefängnis. Deshalb steht sie jetzt in Lübeck vor dem Landgericht. Sie war Haushaltshilfe bei einer alten Frau, die langsam dement wurde. Das nutzte M. laut Anklage aus, ließ sich eine Generalvollmacht unterschreiben, sodass sie über das Vermögen ihrer Chefin verfügen konnte, wie sie wollte. Rund 378.000 Euro veruntreute sie laut Anklage innerhalb von zwei Jahren. Franciska M. wippt unaufhörlich mit dem Fuß, zuckt nervös mit dem Oberkörper, dreht an dem Ring an ihrem Finger, wackelt mit den Füßen. Sie hat Tränen in den Augen, schnäuzt sich. Für sie steht viel auf dem Spiel.

Angeklagte habe Demenz der alten Dame skrupellos ausgenutzt

In erster Instanz verurteilte das Amtsgericht Lübeck Franciska M. im Sommer 2024 zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft. Ohne Bewährung. Es ginge nicht um das Geld, sagte der Richter, sondern um das Opfer. Die alte Dame sei nicht mehr „Herrin ihrer Sinne“ und „hilflos“ gewesen. Das habe sie skrupellos ausgenutzt. „Bei allem Mitleid für Sie. Eine andere Strafe ist schwer vorstellbar.“ Dagegen legte Franciska M. Berufung ein.

Wie oft alte Menschen Opfer von Kriminellen werden, ist unklar. Die Dunkelziffer ist hoch. Für Schlagzeilen sorgt vor allem der sogenannte Enkeltrick. Wenn Betrüger am Telefon behaupten, Angehörige steckten in der Klemme und bräuchten dringend Geld. Telefontrickbetrüger erbeuteten 2023 in Deutschland 117 Millionen Euro, wie die „Neue Osnabrücker Zeitung“ ausgewertet hat. Damit war der Schaden so hoch wie noch nie.

Kriminelle, die, getarnt als helfende Hände, ihre Schützlinge um ihr Geld bringen, werden dagegen selten erwischt. Alte Menschen erstatten so gut wie nie Anzeige. Weil sie nicht begreifen, was ihnen geschieht. Sich nicht trauen. Oder abhängig sind von den Menschen, die sie ausnehmen. 

Obwohl Männer doppelt so häufig Eigentums- und Vermögensdelikte begehen, sind es in solchen Fällen meistens „Frauen mittleren Alters“, die – als Helferinnen getarnt – hilflose Menschen ausnehmen. „Gelegenheitstäterinnen“, wie das LKA Berlin schreibt. „Pflegerinnen oder Haushaltshilfen“, wie in diesem Fall.

Das Opfer, eine fast 80-jährige Frau, wohnt nach dem Tod ihres Mannes allein auf dem Land in Schleswig-Holstein. Ihr Mann war Jurist, Leitender Regierungsdirektor und in Schleswig-Holstein bekannt, daher soll ihr Name ungenannt bleiben. Haus und Garten sind zu groß. Kinder hat das Paar keine. Verwandte nur noch wenige. 2019 schaltet die Witwe eine Anzeige in der Zeitung, sucht Hilfe für Haushalt und Garten. Franciska M. meldet sich. 

Die Annonce bringt zwei Frauen zueinander, die unterschiedlicher nicht sein können. Das Opfer ist gebildet und vermögend. Franciska M. ist Ende 40 und arbeitslos. Ihr Leben, das sie der psychiatrischen Gutachterin geschildert hat, ist voller Brüche. Sie wird 1973 in Ostberlin geboren, wächst in der DDR auf. Ihren Vater lernt sie nie kennen. Ihre Mutter trinkt und schlägt bei jeder Kleinigkeit zu. Sie klaut Brot, weil es zu Hause nichts zu essen gibt, stottert, verlässt die Schule ohne Abschluss. Nach einer Lehre in der Landwirtschaft gerät sie in die Fänge einer Drückerkolonne. Mit 18 fängt sie regelmäßig an zu trinken. Mit 21 hört sie auf, kriegt ihr Leben in den Griff. Heiratet, wird Mutter einer Tochter, schult zur Bürokauffrau um, sattelt eine Fortbildung zur IT-Fachwirtin drauf. Doch sie leidet unter Minderwertigkeitsgefühlen, wird immer wieder arbeitslos. „Wenn einer gesagt hat, du bist doof, bin ich abgehauen.“

2001 wird sie in ihrer Wohnung vergewaltigt. So steht es in den Akten der Psychiaterin. Der Täter kommt vor Gericht, wird aber nicht verurteilt. Franciska M. hat Selbstmordgedanken, muss in die Klinik, leidet unter Angstzuständen, schluckt Antidepressiva. Lange Zeit kann sie nicht arbeiten. Dann liest sie die Anzeige. 

Der Job als Haushaltshilfe bei der alten Dame ist für sie „ein Lichtblick“. Endlich behandelt sie jemand mit Respekt. „Sie hat mich als Mensch gesehen und nicht als Putzfrau.“ Nachmittags um vier Uhr setzen sich die Frauen auf die Terrasse, trinken Kaffee, quatschen. So schildert es Franciska M. Sie bewundert ihre Chefin. „Ihre schicke Kleidung, die feine Aussprache. Ich wollte auch so sein.“ Sie versucht sogar, Hochdeutsch zu sprechen, um mit der Witwe „mithalten“ zu können. 

Bald geht die Haushälterin bei der einsamen Frau ein und aus. Die Frauen gehen zusammen einkaufen. Franciska M. zahlt mit der EC-Karte ihrer Chefin. Die geistigen Fähigkeiten der alten Dame lassen nach, sie wird vergesslich und dement. Das nutzt Franciska M. laut Anklage aus. Sie lässt sich eine Generalvollmacht ausstellen, hebt zum Teil fünfstellige Summen von den Konten der Witwe ab, schließt ihre Konten, überweist das Geld auf ihr eigenes. Sie geht mit der Witwe zum Notar, lässt sich und ihren Ehemann als Erben für ein Grundstück eintragen. Sie lässt sich eine EC-Karte auf ihren Namen ausstellen, kann nun Geld nach Belieben abheben. Als die Sparkasse die EC-Karte sperrt, kommt Franciska M. mit der alten Dame in die Filiale und lässt sich eine neue EC-Karte ausstellen. Die Witwe nickt nur, wenn die Mitarbeiter der Sparkasse sie etwas fragen. Die Banker werden misstrauisch und erstatten Anzeige, sonst wäre Franciska M. womöglich nie erwischt worden. 

Die Kripo durchsucht ihre Wohnung, ermittelt monatelang, listet die Geldsummen, die Franciska M. veruntreut hat, in langen Excel-Tabellen auf. Trotzdem können die Polizisten nur den Verbleib eines Bruchteils des Geldes ermitteln.

Die Angeklagte habe sich nicht mehr um die Seniorin gekümmert

Der Betreuer der alten Dame glaubt, dass Franciska M. noch viel mehr Geld veruntreut hat. Eine halbe Million Euro, vielleicht sogar noch mehr. Die alte Dame sei völlig vernachlässigt gewesen. 13 Zähne habe man ihr ziehen müssen. Im Haus hätten Spinnweben von der Decke gehangen. Sie habe nervös reagiert und sich die Hände aufgekratzt, wenn der Name von Franciska M. gefallen sei. Sein Eindruck: Die Haushälterin habe sich nicht mehr um ihre Chefin gekümmert, sie verwahrlosen lassen und nur noch ihr Geld ausgegeben. Während Franciska M. das vor dem Amtsgericht noch bestritten hat, gibt sie nun zu, die alte Dame nur noch „sporadisch“ besucht zu haben.

„Ich hab das getan“, sagt die Angeklagte mit tränenerstickter Stimme vor dem Berufungsgericht. Ihr Oberkörper zittert, sie stottert. „Ich möchte auch sagen, wo ich das Geld gelassen habe.“ Sie habe in einer „Gilde“ im Internet gespielt, dort habe sie „Diamanten“ gekauft, um „aufzuleveln“, also „aufzusteigen“. „Am Ende habe ich die Gilde geleitet.“ Ein Euro habe ein Diamant gekostet, also 1.000 Euro für 1.000 Diamanten. Von morgens um zehn bis nachts um zwei habe sie im Internet gespielt. Gepokert habe sie auch. „Da habe ich mir meine eigene Welt geschaffen.“

Ansonsten ließ sie sich für 21.000 Euro die Zähne machen, kaufte sich neue Kleider. „Klamotten von Marc O‘ Polo, die ich mir sonst nicht leisten konnte.“ Für 8.000 Euro legte sie sich eine gebrauchte Rolex zu. „Ich wollte vornehm aussehen.“ Franciska M. verwöhnte ihre Tochter, kaufte ihr Klamotten und ein iPhone, schenkte ihr Geld. „Ich wollte ihr das geben, was ich nicht hatte.“ Sie versuchte, den Führerschein zu machen. Fünf Mal, wurde allerdings nicht mal zur theoretischen Prüfung zugelassen. Sie zahlte ihre Schulden, die der Schwiegermutter, gab ihrer Mutter Geld für die Renovierung ihres Badezimmers. 

Sie leide unter Schuldgefühlen, so sehr, dass sie sich kürzlich in die Psychiatrie habe einweisen lassen. „Weil ich mir das Leben nehmen wollte.“ Ihren Job als Verkäuferin in einer Bäckerei, den sie sich zwischenzeitlich gesucht hatte, habe sie wegen der Einweisung verloren. Wochenlang sei sie in der Psychiatrie behandelt worden. Sie sei spielsüchtig, wolle ihr Problem nun endlich angehen. Therapie statt Knast, das schwebt ihr vor. Danach will sie sich einen Job suchen, um Geld zu verdienen, damit sie wenigstens einen Teil des Geldes zurückzahlen könne.

Ihr Anwalt bittet darum, ihre Strafe zu verringern, damit sie zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Die Staatsanwaltschaft will sich darauf nicht einlassen. Das Opfer sei dement und völlig wehrlos gewesen. Auch die Gutachterin hatte zuvor ausgeführt, dass Franciska M. genau gewusst habe, was sie tat. Sie ist nicht vermindert schuldfähig.

Das Landgericht Lübeck verwirft die Berufung

Das Landgericht verwirft die Berufung als unbegründet. „Die Sache ist vollkommen klar“, sagt der Richter. „Hier war überhaupt nichts zu wollen.“ Das Urteil des Amtsgerichts sei „überaus maßvoll“. Es sei all „das berücksichtigt, was wir heute auch bei Ihnen gesehen haben. Ja, Sie bereuen die Tat, Sie leiden darunter.“ Aber: „Ich muss Ihnen ganz deutlich sagen, Sie sind nicht das Opfer, Sie sind die Täterin. Jemand anderem geht es durch Ihre Taten noch viel schlechter.“ Das Opfer könne sich nicht mehr die Pflege leisten, die es als demente Person benötigen würde. „Wir haben hier über 100 Einzelhandlungen.“ Deshalb sei nur eine Haftstrafe möglich. 

Franciska M. wirkt nach dem Urteil geschockt. Damit hat sich offenbar nicht gerechnet. Eine Woche hat sie Zeit, um Revision einzulegen. Allerdings, so erklärt ihr der Richter, ginge es dann nur darum „Verfahrensfehler“ zu überprüfen. Will heißen: Stellt die nächste Instanz keine Verfahrensfehler fest, muss sie ins Gefängnis.