Zank um MIlliardenpläne: Ex-Verfassungsrichter: Alter Bundestag kann Schuldenbremse lockern
Geht das überhaupt? Ex-Bundesverfassungsrichter Peter Huber hält die Schuldenbremsen-Pläne von Union und SPD für juristisch vertretbar. Im stern übt er aber politische Kritik.
Aus Sicht des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Peter Michael Huber sind die von Union und SPD geplanten Grundgesetzänderungen juristisch unproblematisch. „Verfassungsrechtlich habe ich keinerlei Bedenken“, sage er dem stern. „Das Mandat des alten Bundestags währt bis zum Zusammentritt des neuen – und dies uneingeschränkt.“
Union und SPD wollen mehr Schulden für die Aufrüstung aufnehmen und ein Sondervermögen für Investitionen schaffen. Die dafür nötige Änderung des Grundgesetzes soll noch der bestehende Bundestag beschließen, da im neu gewählten Parlament AfD und Linke gemeinsam mehr als ein Drittel der Mandate haben. Sie könnten deshalb Verfassungsänderungen, die eine Zweidrittelmehrheit benötigen, unter Umständen blockieren.
Laut Huber existiert nur ein Verfassungsorgan Deutscher Bundestag, das durch Wahlen jeweils unterschiedlich zusammengesetzt sei: „Damit spricht auch verfassungsrechtlich überhaupt nichts dagegen, vor dem Zusammentritt des neu gewählten Bundestages mit den Stimmen des noch bestehenden Parlaments die Verfassung zu ändern.“
Klarstellung im Grundgesetz
Der Münchner Rechtsprofessor, der von 2010 bis 2022 dem Zweiten Senat angehörte, erinnerte an eine Verfassungsänderung vor knapp 50 Jahren. „Der Artikel 39 im Grundgesetz wurde im Jahr 1976 eigens präzisiert, um zu bekräftigen, dass die jeweilige Wahlperiode eines Bundestags immer erst mit der Konstituierung des nächsten Bundestags endet“, sagte er. „Damit wurde eine Interpretationsmöglichkeit beseitigt, die noch aus der Paulskirche und dem Kaiserreich stammt, dass es verschiedene Parlamente gäbe, die eigene Verfassungsgrößen seien.“
Huber übte allerdings Kritik teilweise Kritik am Ziel der Grundgesetzänderung. „Die Frage, ob das, was vor Wahlen gesagt wurde, auch nach Wahlen gelten sollte, ist ebenso politisch zu beantworten wie die Frage, ob unbegrenztes Schuldenmachen verantwortungsvoll ist“, sagte er. Er selbst sehe beides kritisch – mit Ausnahme der Regelung für die Militärausgaben. Der Handlungsdruck sei durch das Agieren des US-Präsidenten Donald Trump noch einmal akuter geworden. „Das war in dieser Deutlichkeit zuvor nicht absehbar.“
Schuldenbremse muss auch durch den Bundesrat
Unabhängig der verfassungsrechtlichen Debatte ist die nötige Zweidrittelmehrheit nicht nur im Bundestag ungewiss. Auch im Bundesrat ist die Zustimmung nicht sicher.
Die Länder, in denen CDU, SPD und Grüne in unterschiedlichen Varianten regieren, kommen zusammen auf 41 der 69 Stimmen – das sind fünf weniger als nötig. In allen anderen Ländern sind FDP, BSW, Linke oder Freie Wähler beteiligt, die aus unterschiedlichen Gründen die von Union und SPD geplanten Verfassungsänderungen mindestens teilweise ablehnen.
Vor allem auf die sechs Stimmen von Bayern, wo die CSU mit den Freien Wähler regiert, richtet sich jetzt der Fokus. FW-Chef Hubert Aiwanger übte harsche Kritik an dem Vorhaben. „Die Union begeht Wählertäuschung, wenn sie bis zur Wahl Stein und Bein schwört, die Schuldenbremse nicht anzutasten und einige Tage später von knapp einer Billion neuen Schulden spricht“, sagte er dem stern. „Das ist die Glaubwürdigkeit eines Heiratsschwindlers, der seiner Braut vor der Hochzeit schöne Augen macht und ihr nachher das Geld aus der Tasche zieht und sie fallen lässt.“