Lehren aus der Bundestagswahl: Welche Schlüsse die Kommunalpolitik aus dem AfD-Erfolg zieht
Gut eine Woche nach der Bundestagswahl analysieren viele in Rheinland-Pfalz weiter die Ergebnisse. Zum Beispiel Kaiserslautern: vom WM-Spielort zum AfD-Hotspot? So einfach ist das wohl nicht.
Das Schild im Hintergrund ist Zufall gewesen. Eindringlich appellierte Oberbürgermeisterin Beate Kimmel nach der Bundestagswahl, der Erfolg der AfD müsse genau analysiert werden. Hinter der SPD-Politikerin hing im Rathaus der pfälzischen Stadt ein „Kaiserslautern“-Schild von der Fußball-WM 2006, als sich Deutschland und auch die Barbarossa-Stadt so weltoffen wie selten zeigten. Jetzt feierte dort die in Teilen als rechtsextremistisch eingestufte AfD einen ihrer bisher größten Erfolge im Westen. Der Kontrast war augenfällig.
Gut eine Woche nach der Wahl sortieren in Rheinland-Pfalz immer noch viele das Ergebnis. Absturz von SPD und FDP, Triumph für CDU, AfD und Linke. Der 23. Februar dürfte auch mit Blick auf die Landtagswahl 2026 nachwirken.
Erst der Anfang?
Im Wahlkreis Kaiserslautern holte die AfD mit 25,9 Prozent die meisten Zweitstimmen. Er ist damit neben dem Wahlkreis Gelsenkirchen der einzige in Westdeutschland, in dem die Partei bei Zweitstimmen vorn ist. „Die AfD ist im Osten stark und im Westen nur Mittelmaß? Diese Zeiten sind vorbei!“, jubelte AfD-Direktkandidat Sebastian Münzenmaier bei X (früher Twitter). Gelsenkirchen und Kaiserslautern seien „nur der Anfang“.
Auch im Wahlkreis Pirmasens errang die AfD mit 27,1 Prozent einen hohen Zweistimmenanteil. Wie ist das erklärbar? „Teile der Pfalz gelten als strukturschwache Region“, sagte Politikwissenschaftler Uwe Jun der Deutschen Presse-Agentur. „Nicht wenige Menschen dort verfügen nur über ein durchschnittliches oder unterdurchschnittliches Haushaltsnetto-Einkommen, fühlen sich benachteiligt oder haben Abstiegsängste.“
Teilweise hätten AfD-Wähler der SPD den Rücken gekehrt. „Weil sie von ihr keine Verbesserung ihrer Lebenssituation mehr erwarten“, meinte Jun. Die AfD sei schon seit einiger Zeit in der Pfalz strategisch unterwegs, um zielgruppenorientiert Wähler für sich zu gewinnen.
Industrielle Zeitenwende
Kaiserslautern ist überregional bekannt unter anderem für Fußballzweitligist FCK, die US-Armee, den Nähmaschinenhersteller Pfaff und das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). Die Stadt mit rund 100.000 Einwohnern steht sinnbildlich für eine industrielle Zeitenwende nicht nur in Rheinland-Pfalz. „In meinen Augen“, sagte Oberbürgermeisterin Kimmel, „hat Kaiserslautern den Strukturwandel hervorragend bewältigt.“ Der Wechsel vom Industrie- zum Wissenschaftsstandort funktioniere „geräuschlos“.
Weniger geräuschlos verlief der Wahlkampf. Ein SPD-Wahlhelfer wurde von Unbekannten gegen eine Hauswand gedrückt, mindestens ein Wahlkampfstand wurde stark beschädigt, Plakate einer Demokratie-Kampagne wurden zerschnitten. Kurz vor der Wahl hatte das Innenministerium in Mainz jedoch mitgeteilt, es sei in Rheinland-Pfalz kein Anstieg der Straftaten im Vergleich zum Bundestagswahlkampf 2021 erkennbar.
Was man oft hört, nicht nur in Kaiserslautern: Berlin sei weit weg, im Bundestag kenne man nicht die „wirklichen Probleme“ der Menschen. „Viele AfD-Wähler nehmen ein Gefühl der Abgehobenheit der Bundespolitik wahr, die sich aus ihrer Sicht zu wenig um die Alltagssorgen der Wähler kümmerten“, sagte Experte Jun. Auch die Finanzschwäche der Kommunen hinterlasse Spuren. „Wo Aufgaben nicht mehr bewältigt werden können, wachsen die Zweifel an der Handlungsfähigkeit des Staates und damit an den regierenden Parteien.“
Viele Aufgaben, zu wenig Geld
Kimmel zufolge bleibt auch in Kaiserslautern manches aus finanziellen Gründen auf der Strecke – und das gerade in Zeiten, in denen Menschen „mehr Orientierung“ bräuchten und „Lösungen, die erkennbar sind“. Die SPD-Politikerin wünscht sich eine detaillierte Prüfung, warum die AfD in ihrer Heimatstadt so stark abgeschnitten hat.
„Es ist für mich als Oberbürgermeisterin schwierig, eine Partei, die in Teilen als rechtsextremistisch bezeichnet werden darf, mit einem so hohen Zuspruch zu sehen“, sagte sie unmittelbar nach der Wahl. Kaiserslautern sei eine Stadt mit hoher Lebensqualität – und einem bunten kulturellen Leben.