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Neue Krankenhausserie: Krank Berlin: Ein radikaler Blick ins Klinikchaos

Personalnotstand, Sparzwang, drogensüchtige Ärzte: Klingt nicht nach guter Abendunterhaltung? Doch! „Krank Berlin“ setzt Maßstäbe für Krankenhausserien. Wie realistisch ist sie?

Spät in der Nacht torkelt der Unfallchirurg Dr. med. Ben Weber im Hoodie aus einem Berliner Club, verirrt sich auf die Straße, wird fast überfahren. Viele Filmrisse später erwacht er auf dem Dach der fiktiven Klinik Krank aus seinem Drogentrip. Noch benommen nimmt er in der Notaufnahme seine Arbeit auf. 

Als Zuschauer ist man auch benommen, was daran liegt, dass wir seinen Trip hautnah miterleben – als atemberaubendes Musikvideo mit ineinanderfließenden Lichteffekten, Tanzszenen, aufblitzenden Gesichtern, Rettungswagen, Liege auf der Notaufnahme – alles unterlegt mit dem wummernden Rap-Song No Effortvon Princess Nokia, alles auf Takt montiert.

Wurde jemals schon in einer Krankenhausserie ein Held im weißen Kittel so eingeführt?

„Krank Berlin“ revolutioniert das Genre Krankenhausserie

Ich kann mich nicht erinnern, und ich kenne die meisten. Angefangen mit der „Schwarzwaldklinik“, prominentester Vertreter der eskapistischen Phase der deutschen Krankenhausserien in den 1980er-Jahren, in der sonnengebräunte Ärzte immer Zeit für ihre Patienten haben, mit ihnen lachen und weinen. Langweilig und weltfremd, die biedere Phase der Krankenhausserien.

Unterhaltsamer war „Doctor’s Diary“ in den 2000ern, die deutsche Variante von „Grey’s Anatomy“; da hatten die jungen Ärzte und Ärztinnen Spaß, es gab coole Sprüche, ein bisschen Rebellion und viel Sex. 

Dann kam erst mal nichts Innovatives mehr aus Deutschland – und ich bingte „Dr. House“ (Serienstart 2004). Hugh Laurie spielte den begnadeten Diagnostiker mit dem titelgebenden Namen. Zusammen mit Freddy Highmore als autistischem „Good Doctor“ (Serienstart 2017) gehört er in die genialische Phase des Genres „Medical“.

Die Ärzte in „Krank Berlin“: weder genial noch mitfühlend

Mit „Krank Berlin“ treten wir nun in die – wie soll man das nennen? – naturalistische Phase der Krankenhausserien ein. Da steckt ein bisschen was von „Emergency Room“ aus den 1990ern mit George Clooney als väterlicher Hauptfigur drin.

Aber „Krank Berlin“ ist krasser, geht einem mehr an die Nerven, rüttelt einen auf. Vielleicht, weil die Ärztinnen und Ärzte nicht genial sind und nur selten mitfühlend – und die Pflegekräfte chronisch genervt und aufmüpfig.

Ständig herrscht Chaos, manche Szenen erinnern an die einst legendäre „Messerstecherambulanz“ in Johannisburg. Schwer verletzte Menschen schreien, es fließt viel Blut, wobei es den beiden Regisseuren Fabian Möhrke und Axel Schaad gelingt, dabei keine Ekelgefühle aufkommen zu lassen – die Serie taugt auch für empfindlichere Zuschauerinnen und Zuschauer.

Die Schauspieler: herrlich ambivalente Charaktere

Der betäubungsmittelabhängige Unfallchirurg Weber wird herrlich ambivalent verkörpert von Slavko Popadić, dem einen oder anderen durch Schurkenrollen zum Beispiel im „Tatort“ schon bekannt. Einerseits lügt er ohne Gewissensbisse und liefert andere Teammitglieder ans Messer, um den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, andererseits kümmert er sich aufopferungsvoll um Obdachlose und illegale Migranten.

In der Hauptrolle spielt Haley Louise Jones Dr. med. Zanna Parker, die aus dem heilen München an die Brennpunktklinik kommt. In München hatte sie eine Abteilung für Geriatrie erfolgreich in die schwarzen Zahlen geführt und sucht nun eine neue Herausforderung – als Leiterin der Rettungsstelle des Krankenhauses mit dem schlechtesten Ruf in ganz Deutschland.

Der Geschäftsführer des Hauses lässt Parker gleich zu Anfang wissen, was er von ihr erwartet – dass sie ihm „das Leben leichter macht“, indem sie die Rettungsstelle lautlos und auf Sparflamme führt, denn Geld ist im chronisch kranken Krank keines da.

„Krank Berlin“ erzählt viel Wahres über Abgründe unseres Gesundheitswesens

Und das tut Dr. Parker, nachdem sie sich vom ersten Schock über das Chaos erholt hat. Mit ihren Maßnahmen macht sie sich erst mal unbeliebt: Betäubungsmittelentnahmen müssen ab sofortregistriert werden, und als ein Pfleger sich eine Tablettenschachtel in die Tasche steckt, feuert sie ihn – egal, wie schlimm der Pflegenotstand gerade ist. Sie fordert, dass alle Aufnahmediagnosen elektronisch erfasst werden – sonst könne man die Fallpauschalen nicht abrechnen.

Das Wort, das ich über viele Jahre in meinen Artikeln in Nebensätzen erklären musste, darf in „Krank Berlin“ einfach mal so fallen, was deutlich macht, wie sehr die Missstände einer kommerzialisierten Medizin uns allen mittlerweile ins Bewusstsein gerückt sind. Wobei, kleiner Wermutstropfen, das ärztliche Beraterteam der Serie hier nicht gut recherchiert hat: Fallpauschalen nämlich kann man nur für stationäre Aufenthalte von Patienten in Krankenhäusern abrechnen, nicht für rein ambulante Behandlungen in den Notaufnahmen.

Damit kommen wir zu der wichtigen Frage, die sich jeder Zuschauer wohl stellt: Wie realistisch ist das erschreckende Szenario von „Krank Berlin“? Aus meiner eigenen Zeit als Arzt in der Notaufnahme würde ich bestätigen: Ziemlich realistisch, was die Interaktionen und die Gefühlslage des ständig gestressten Personals anbelangt. Kein Wunder, schließlich hat ein ehemaliger Arzt, Samuel Jefferson, am Drehbuch mitgeschrieben und dabei wohl seine eigenen traumatischen Erfahrungen verarbeitet.

Inspiration für „Krank Berlin“: die Charité?

Medikamentenmissbrauch ist unter Ärztinnen und Ärzten häufiger als in vielen anderen Berufsgruppen – laut Deutschem Ärzteblatt sind 20 bis 30 Prozent davon betroffen. Nach einer Vorlage für Weber, der sich schamlos am Betäubungsmittelschrank bedient, muss man in Berlin nicht lange suchen – vor dreieinhalb Jahren stand eine Charité-Medizinerin vor Gericht, die immer wieder Ampullen geklaut und sich auf dem Damenklo gespritzt hatte. 

Überhaupt scheint die Charité, die vergangenes Jahr auch im Fokus einer investigativen Recherche des stern stand, die Filmemacher zumindest inspiriert zu haben. Das Gebäude des Krank ist dem Hauptbau des international renommierten, gleichwohl auch immer wieder skandalumwitterten Berliner Top-Krankenhauses architektonisch nachempfunden.

Medizinisch gesehen ist – siehe Beraterstab – alles so weit im grünen Bereich, wobei kein großer Wert auf die Nachvollziehbarkeit von Diagnosen oder OP-Indikationen gelegt wird. Das Fachliche steht nicht im Vordergrund, und auch Patienten tauchen meist nur als Träger von Krankheitssymptomen und Verletzungen auf, die zu oft schreien und das Personal mit ständigen Forderungen und Beschwerden nerven. Ihre Leidensgeschichten bleiben den Zuschauern verborgen – so wie deutschlandweit den Ärzten und Pflegekräften in der harten Krankenhauswirklichkeit, auch hier ist „Krank Berlin“ schonungslos real.

Andere Rezensenten verglichen die Serie schon mit „Emergency Room“, aber da ging es tiefer in diagnostische und therapeutische Details – in „Krank Berlin“ dominieren das Zwischenmenschliche und die verheerend schlechten Arbeitsbedingungen.

„Krank Berlin“ ist ein Must-see!

Der Cast ist divers, viele der Schauspielerinnen und Schauspieler haben Migrationshintergrund, so wie in echten deutschen Krankenhäusern auch. Die meisten Gesichter sind neu und unverbraucht, die schauspielerischen Leistungen durchweg so gut, dass man oft eher das Gefühl einer Reality-Doku hat.

Mein Fazit? Als ich zum ersten Mal von „Krank Berlin“ hörte, war meine spontane Reaktion: Um Gottes willen, warum sollte man sich sowas anschauen, ist die Welt nicht schon traurig genug gerade? Doch die Erzählungen sind durchtränkt mit schwarzem Humor, es gibt viele komische Szenen, man muss oft lachen, die innovative Bildsprache, die Talking Camera und der perfekte Musikeinsatz runden das Schauerlebnis ab. 

Für mich ein Must-see. 

Und für den darbenden deutschen Filmmarkt bleibt zu hoffen, dass „Berlin ER“ – so der internationale Titel der weltweit zeitgleich gestarteten, revolutionär innovativen Krankenhausserie made in Germany – auch revolutionärer Erfolg beschieden ist. Damit bald eine Staffel zwei folgt. Teil drei von Staffel eins und die vorherigen Folgen sind ab heute auf Apple TV+ zu sehen. Und wer noch etwas warten kann, kann die ganze Serie aufs Mal irgendwann free auf ZDFneo streamen, das an der Produktion beteiligt war.