[REQ_ERR: 526] [KTrafficClient] Something is wrong. Enable debug mode to see the reason. Intelligenz: Tierische Erfinder – so schlau sind Vögel, Tintenfische und Insekten – Beste Nachrichten

Intelligenz: Tierische Erfinder – so schlau sind Vögel, Tintenfische und Insekten

Von Mülltonnen-Öffnern bis zu Werkzeugbauern: Tiere zeigen erstaunliche Intelligenz. Die Biologin Alice Auersperg erklärt, wie Kreativität im Tierreich funktioniert.

Was macht intelligentes Verhalten aus?

„Das definiert jeder Wissenschaftler anders. Für einen Neurologen ist es die Menge und Komplexität der Nervenverbindungen. Für einen Philosophen die Vernunft und der Verstand. Für einen Biologen ist es aber meistens die Flexibilität des Geistes und des Verhaltens“, sagt Alice Auersperg. Um die Intelligenz eines Tieres zu messen, müsse man zunächst seine Ökologie und das natürliche Verhalten möglichst genau kennen, betont die Kognitionsbiologin. Nur dann lasse sich erkennen, wenn ein neues Verhalten auftritt.

Wann sprechen Biologen von einer tierischen Erfindung?

„Eine Erfindung zeichnet sich dadurch aus, dass sie nicht überall und nicht von allen Mitgliedern der Spezies ausgeführt wird“, erklärt Auersperg. Meist nutzt auch nicht jedes Individuum das gleiche Werkzeug oder das gleiche Verhalten dafür. Ein gutes Beispiel, wie sich eine Erfindung regional ausbreitet, erlebten die Einwohner von Sydney. 

In Sydney haben Gelbhauben-Kakadus gelernt, Mülltonnen zu öffnen. Die Bewohner der Stadt versuchen das mit allerlei Tricks zu verhindern – meist vergeblich
© Barbara Klump/ Current Biology/ SNAPSHOT

Einige der dort lebenden Gelbhauben-Kakadus fanden heraus, wie sie Mülltonnen öffnen können, um an Essensreste zu gelangen. Dabei entwickelten sie ganz unterschiedliche Techniken. Einige stehen im Spagat zwischen Mülltonnenrand und dem geöffneten Deckel, um an die Abfälle heranzukommen. Andere heben den Deckel mit dem Schnabel leicht an und klettern den Rand der Mülltonnen entlang, bis sie den Deckel komplett nach hinten umklappen können. „Dazu braucht es nicht nur ein gutes Körpergefühl, sondern auch eine hohe Frustrationstoleranz, um Fehlversuche auszuhalten und aus ihnen zu lernen“, erklärt die Biologin. 

Das Buch ist Ende Februar 2025 im Brandstätter Verlag erschienen und kostet 25 Euro
© Verlag

Im Rahmen eines Public Science-Projektes meldeten Bürger der Stadt Sydney, wie sich die verschiedenen Techniken nach und nach über die Stadt ausbreiteten. Einige Bewohner versuchen die Vögel daran zu hindern, an die Abfälle zu gelangen, zum Beispiel, indem sie den Deckel mit vollen Wasserflaschen beschwerten. Doch die findigen Kakadus lassen sich nicht beirren und finden meist eine Lösung des Problems.

Welche Lebensbedingungen fördern Intelligenz?

„Karge Umgebungen scheinen Intelligenz besonders zu fördern“, sagt Auersperg. Lange forschen sie und ihr Team schon an sogenannten Keas, einer Papageienart, die im Hochgebirge von Neuseeland lebt. Dort können sich die Tiere nicht auf eine zuverlässige Futterquelle verlassen, sondern müssen sich permanent an veränderte Bedingungen anpassen. 

Tiere, die in kargen Umgebungen leben, müssen erfinderisch sein, um zu überleben. Keas spielen mit allem, was sie finden. In ihrer Heimat Neuseeland bewohnen sie das Hochgebirge
© Alice Auersperg

Vor allem junge Keas sind immer zu Späßen aufgelegt. Die Vögel sind bekannt dafür, dass sie die Rucksäcke von Wanderern öffnen und durchwühlen, an Autos die Scheibenwischer abmontieren und die Gummidichtungen an den Fenstern heraus pulen. Ausgeprägtes Spielverhalten geht häufig einher mit hoher Intelligenz. Seit Kurzem forscht die Kognitionsbiologin auch an einer Vogelspezies von den Falklandinseln, dem falkenähnlichen Schopfkarakara. „Wenn man ins Gehege kommt, rennen sie direkt neugierig auf einen zu und nesteln an den Schuhbändern“, berichtet Auersperg. Wie die Keas brauchen sie diese Neugier offenbar, um in ihrer kargen Welt zu überleben. 

Bei besonders sozialen Lebewesen, wie etwa Primaten, kommt noch die soziale Intelligenz hinzu. Sie leben in extrem großen Gruppen, in denen sie die Beziehungen pflegen und Allianzen schmieden müssen. 

Wann ist ein Werkzeug ein Werkzeug?

Dafür gibt es viele Definitionen. Die Primaten-Forscherin Jane Goodall hat Werkzeuge als Verlängerung des Körpers durch ein Objekt definiert. „Ich würde noch gezieltes Werfen oder Fallenlassen dazu zählen“, sagt Auersperg. Forscher berichten gerne über (vermeintlichen) Werkzeuggebrauch, denn das ist gut für wissenschaftliche Publikationen. Aber: „Nicht jedes neue Verhalten mit einem Gegenstand ist automatisch auch ein Werkzeuggebrauch“, schränkt die Forscherin ein. 

Gibt es auch unter Tieren Genies? 

Es gibt Individuen, die sind sehr gut darin, eine bestimmte Aufgabe zu lösen, andere Aufgaben dagegen nicht. Bei anderen Versuchen sind dann oft andere Tiere besonders gut. „Dabei kommt es auf verschiedene Persönlichkeitsmerkmale an, zum Beispiel Ausdauer und Impulskontrolle, aber auch die Fähigkeit, sich vom Ziel geistig entfernen zu können“, erklärt Auersperg. Etwa, um ein passendes Werkzeug zu suchen. 

Kakadu Figaro hat gelernt, wie er eine Cashewnuss nahe genug ans Gitter bringt, um sie zu fressen. Dazu bastelt er sich ein kleines Stöckchen aus dem Balken seiner Voliere
© Alice Auersperg

Was hat die Forscherin am meisten überrascht?

„Dass Kakadus auch Werkzeuge verwenden, hat uns verblüfft“, sagt die Biologin. Eine Studentin hat zufällig beobachtet, wie einer der Vögel ein Stöckchen verwendet hat, um damit ein Steinchen zurückzubekommen, das durch das Gitter der Voliere nach außen gefallen war. Die Verhaltensforscher machten daraufhin ein Experiment mit dem Tier, bei dem sie anstelle des Steinchens eine Nuss außer Reichweite platzierten. 

Das Kakadu-Männchen biss dann aus einem Balken der Voliere einen Splitter und kürzte ihn so, dass er perfekt passte, um die Nuss zu angeln. „Inzwischen wissen wir, dass Kakadus ganz unterschiedliche Werkzeuge aus unterschiedlichen Materialien für unterschiedliche Aufgaben herstellen“, erklärt Auersperg. Zum Teil formen sie dabei auch Haken. Und im Freiland verwenden sie ganze Sets aus mehreren Werkzeugen. 

Sind Kakadus Feinschmecker?

Kakadus bereiten auch ihr Futter zu. Sie legen beispielsweise Zwieback ins Wasser, um ihn aufzuweichen. Auerspergers zehnjährige Tochter beobachtete zufällig, dass Kakadus Spiralnudeln in Sojajoghurt eintauchen und dann ablecken. „In einem Versuch haben wir dann getestet, worauf es den Vögeln am meisten ankommt“, beschreibt die Biologin. 

Dieser Goffin-Kakadu steht auf Sojajoghurt mit Blaubeergeschmack. In einem Experiment tunkt er Nudeln in die entsprechende Schale und verspeist beides zusammen
© Alice Auersperg

Sie hatten die Wahl zwischen drei Behältern, in die sie Nudeln eintauchen konnten: einer mit Wasser, einer mit neutralem Sojajoghurt und einer mit Blaubeerjoghurt. „Die Kakadus bevorzugten das Blaubeerjoghurt und tauchten die Nudel sogar mehrmals ein, um möglichst viel von dem mit Geschmack zu bekommen. Fast so wie ein Kind, das sich eine große Portion Ketchup über die Nudeln gießt.“ Das war das erste Mal, dass Tiere in einem Versuch zwei Nahrungsmittel gezielt miteinander kombinierten. 

Sind nur bestimmte Vögel und Säugetiere intelligent?

Keineswegs. Auch Weichtiere wie Oktopusse sind schlau, zum Beispiel wenn es darum geht, an Futter zu gelangen. Mit einem schnellen Dreh öffnen die Tintenfische Gläser mit einem Schraubdeckel, um eine darin platzierte Krabbe zu fressen. Andere Oktopusse tragen die beiden Hälften einer Kokosnuss mit sich herum. Bei Gefahr klappen sie die Hälften zusammen und verstecken sich darin. 

Hummeln besitzen eine erstaunliche Intelligenz, um im Labor Testaufgaben zu lösen. Das Forscherteam um Lars Chittka von der Queen Mary Universität in London experimentiert vor allem mit bunten Kugeln, die die Insekten in bestimmte Positionen bringen sollen. Im Freiland müssen sich Wildbienen, zu denen Hummeln gehören, an ganz unterschiedliche Blütenformen anpassen, um an Nektar zu gelangen. Auch dabei brauchen sie Ausdauer, um die verschiedenartigen Mechanismen zu überwinden
© Richard Rickitt

Auch Hummeln sind zu erstaunlichen Gehirnleistungen imstande. Bei Versuchen rollen sie mit ihren Beinchen Bälle in ein Loch, um dafür eine Belohnung zu bekommen. Oder sie ziehen an Fäden, um Zuckerwasser zu ergattern. Sie lösen zum Teil Aufgaben, die sonst Primaten gestellt werden. „Der Mensch ist eitel. Generell unterschätzen wir Tiere, die nicht nahe mit uns verwandt sind“, sagt Auersperg.