Psychologie: Fitness für die Seele: Zehn Tipps für eine starke Psyche
Zu Beginn des Jahres boomen Fitness-Studios. Eine Psychotherapeutin rät, wie wir auch unsere Seele gesund halten.
Zu Jahresbeginn möchten viele Menschen ihren Körper in Form bringen, sich fit machen und gesund ernähren. Aber wie steht es um die Seele? Die Psychotherapeutin Alexandra Carvalho gibt Tipps, wie sich auch die Psyche stärken und in „Form“ bringen lässt.
Tipp 1: Die richtigen Fragen stellen
Gerade die Zeit zu Beginn eines neuen Jahres könne dazu einladen, sich Fragen zu stellen, sagt Carvalho: „Wie ist mein aktueller Zustand? Was wünsche ich mir für die kommende Zeit? Welche Werte sind mir besonders wichtig?“ Anschließend könne man sich konkrete kleine Schritte überlegen, um diesen Wünschen näherzukommen.
Tipp 2: Realistische Ziele setzen
Damit dies gelingen könne, sei es wichtig, sich realistische und überprüfbare Ziele zu setzen, rät Carvalho: „Statt zu sagen: Ich möchte gesünder werden, könnte ein konkretes Ziel lauten: Ich möchte bis Juli eine 5-Kilometer-Strecke joggen können.“ Solche realistischen und messbaren Ziele können dabei helfen, konkrete Schritte abzuleiten, um darauf hinzuarbeiten. Gleichzeitig ermöglichen sie eine Überprüfung des Fortschritts. Es kann besonders motivierend wirken, wenn wir sehen: „Ich bin in der Lage, meine Wünsche und Ziele eigenständig umzusetzen“, sagt die Psychotherapeutin.
Weihnacht Zur Person Alexandra Carvalho
In ihrem Buch „Mission Fühlen“ spricht Carvalho mit Menschen, die davon träumen, Astronaut*in zu werden – ein äußerst großes Ziel. „Doch gerade von diesen Menschen kann man viel darüber lernen, was es braucht, um auch kleinere Wünsche und Ziele im Alltag erfolgreich umzusetzen.“
Tipp 3: Glückliche Momente erinnern
Hilfreich kann es sein, sich an Momente zu erinnern, in denen man sich glücklich, zufrieden und ausgeglichen gefühlt hat. Dazu könne man sich fragen: „Was hat dazu beigetragen, dass ich glücklich war? War es der Rückzug mit einem guten Buch und Zeit für mich selbst? Oder profitiere ich mehr davon, wenn ich mich abends mit Freundinnen treffe?“
Es geht dabei nicht um Selbstoptimierung – denn Perfektion macht nicht unbedingt glücklich. Vielmehr geht es darum, herauszufinden, was mir wirklich guttut. Idealerweise sollte das keine anderen negativen Folgen mit sich bringen und mich langfristig stärken.
Tipp 4: mehr Selbstfürsorge
Viel wertvoller für die psychische Gesundheit als ständige Selbstoptimierung sei ein regelmäßiger, freundlicher und mitfühlender Umgang mit sich selbst.
Viele Menschen verharren in ihren Gewohnheiten und begegnen sich dabei mit Härte und Strenge. „Doch genau das führt oft nicht zu mehr Motivation, sondern eher zu Frust und Widerstand. Stattdessen kann es helfen, aus einer wohlwollenden Haltung sich selbst gegenüber zu handeln – das macht Veränderungen nicht nur leichter, sondern auch nachhaltiger“, rät die Psychotherapeutin. Und – es kann absolut selbstfürsorglich sein auch mal „nein“ zu einer Aktivität zu sagen und sich mehr Ruhe zu gönnen.
Eine gute Selbstfürsorge umfasst verschiedene Aspekte. „Dazu gehört, dass wir gewisse grundlegende Routinen in unserem Leben regelmäßig etablieren“, so Carvalho. Oft wird unterschätzt, welche positiven Auswirkungen gesunder Schlaf, eine ausgewogene Ernährung, ausreichend Bewegung und vor allem auch soziale Kontakte auf unser Wohlbefinden haben können.
Natürlich sei jeder Mensch unterschiedlich, betont Cravalho. „Daher ist es wichtig, sich selbst zu fragen: Was brauche ich ganz persönlich für meine psychische Gesundheit?“
Eine fitte Seele braucht auch Platz im Leben
Tipp 5: Freiräume schaffen
Im Kern liegt es in der Natur des Menschen, sich selbst Gutes zu tun – ein grundlegender Überlebensmechanismus. Daher stellt sich eher die Frage: „Was hält mich davon ab, gut für mich zu sorgen?“ Fehlen mir zeitliche Ressourcen, weil ich stark in Familien- oder Berufsarbeit eingebunden bin? Dann wäre es sinnvoll, hier anzusetzen und zu überlegen, wie ich mir gezielt Freiräume schaffen kann.
Das erlebe sie sehr häufig, sagt Carvalho: „Menschen sind motiviert, sich selbst etwas Gutes zu tun, fühlen sich aber gleichzeitig von ihrem komplexen Alltag und den vielen Anforderungen, die an sie gestellt werden, erschlagen. Hinzu kommen oft fehlende Unterstützungsmöglichkeiten.
In einer solchen Situation kann es schnell überfordernd wirken, noch eine zusätzliche Aufgabe auf die To-Do-Liste zu setzen. Vielleicht besteht die erste Übung daher darin, anzuerkennen, dass weniger manchmal mehr ist – und sich selbst zu erlauben, kleine, machbare Schritte zu gehen, anstatt sich von Perfektionismus oder zu hohen Erwartungen lähmen zu lassen.
Tipp 6: Niedrige Hürden
Menschen verharren oft in alten Gewohnheiten, und es braucht Zeit, bis neue Routinen etabliert sind – das ist völlig normal. Doch es gibt einige Tricks, die helfen können, trotzdem dranzubleiben.
Ein wichtiger Tipp sei, es sich so einfach wie möglich zu machen. „Wer joggen lernen möchte, sollte überlegen, wie sich das unkompliziert in den Alltag integrieren lässt“, rät die Therapeutin. Manche schlüpfen morgens direkt nach dem Aufstehen in die Sportkleidung, um ohne langes Nachdenken loszulegen. Carvalho selbst hat sich angewöhnt, auf dem Heimweg von der Arbeit beim Schwimmbad Halt zu machen und direkt schwimmen zu gehen. „Wäre ich erst nach Hause gefahren und hätte mich hingesetzt, wäre die Hürde ungleich größer.“
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Tipp 7: Erfolgserlebnisse feiern
Wichtig für die Motivation sind auch Erfolgserlebnisse. Deshalb lohnt es sich, kleine, messbare Ziele zu setzen, über deren Erreichen man sich freuen kann. Dabei sollten die Ziele realistisch und an den eigenen Alltag angepasst sein. Erfolg bedeutet nicht nur, eine persönliche Bestzeit zu laufen – wer es schafft, sich auch nur für einen kurzen Spaziergang vor die Tür zu motivieren, hat bereits gewonnen.
„Am wichtigsten finde ich jedoch den Faktor Spaß“, sagt Carvalho. Idealerweise sollten neue Gewohnheiten Freude bereiten und nicht einfach nur ein weiterer Punkt auf der To-Do-Liste sein.
Tipp 8: Unterstützer suchen
Es ist immer wichtig, sich an andere Menschen zu wenden, denn schwere Zeiten oder Krisen allein durchzustehen, ist anstrengend und sollte nicht notwendig sein. Partner:innen oder Freund:innen können oft eine wertvolle Unterstützung sein – insbesondere während einer möglicherweise langwierigen Suche nach einem Therapieplatz.
Eine gute erste Anlaufstelle kann auch die eigene Hausärztin oder der Hausarzt sein. Sie können oft hilfreiche lokale Anlaufstellen oder weiterführende Unterstützung vermitteln. Zudem bieten auch Beratungsstellen oft einen niederschwelligen Zugang zu Hilfsangeboten und können den ersten Schritt zur passenden Unterstützung erleichtern.
Tipp 9: Professionelle Unterstützung
„Es ist völlig normal, sich hin und wieder nicht aufraffen zu können, Aufgaben schleifen zu lassen oder nicht mit voller Disziplin durchs Leben zu gehen“, sagt Carvalho. Falls dieser Zustand jedoch über längere Zeit anhält und jemand sich die meiste Zeit des Tages niedergeschlagen fühlt – was übrigens nicht zwingend bedeutet, traurig zu sein, sondern eher ein Gefühl von emotionaler Leere oder Gleichgültigkeit umfassen kann – sollte man genauer hinsehen. „Wenn jemand merkt, dass man sich selbst zu Dingen, die früher Freude bereitet haben, nicht mehr aufraffen kann, könnte es sinnvoll sein, professionelle Unterstützung in Betracht zu ziehen.“
Tipp 10: Frühzeitig beginnen
Es gibt immer wieder Phasen, in denen Menschen vermehrt Unterstützung suchen, sagt Alexandra Carvalho: „Ich würde das jedoch nicht an bestimmten Jahreszeiten festmachen, sondern vielmehr an individuellen Lebensumständen. Wann jemand Hilfe benötigt, hängt stark von der persönlichen Biografie und den aktuellen Herausforderungen ab.
Die meisten Menschen melden sich ohnehin nicht sofort, wenn es ihnen schlecht geht, sondern versuchen zunächst, allein mit ihren Problemen fertig zu werden. Oft suchen sie erst dann Unterstützung, wenn sie bereits über eine längere Zeit belastet sind.