[REQ_ERR: 526] [KTrafficClient] Something is wrong. Enable debug mode to see the reason. Analyse: Regierung vs. Justiz: Wer gewinnt den Machtkampf? – Beste Nachrichten

Analyse: Regierung vs. Justiz: Wer gewinnt den Machtkampf?

Für die US-Justiz wird Donald Trumps zweite Amtszeit zur Feuerprobe. Auch in Teilen Europas muss sie um ihre Unabhängigkeit bangen. Kann sich die dritte Gewalt im Staat retten?

Eines muss man Donald Trump lassen: Er ist nicht nur ein Mann der Worte, sondern ein Mann der Taten. Lange vor seiner Amsteinführung wetterte er gegen die politischen Entscheidungen seines Vorgängers Joe Biden. Als Präsident würde er sämtliche Entscheidungen rückgängig machen.

Nun setzt Trump um, was er versprochen hatte.

Als neuer alter US-Präsident benötigte er nur Minuten, um per Dekret hunderte verurteilte Kapitolstürmer zu begnadigen, Menschen mit Migrationshintergrund das Recht auf die US-Staatsbürgerschaft per Geburt zu entziehen, das Verbot umweltschädlicher Ölbohrungen aufzuheben oder die Rechte der LGBTQ-Community einzuschränken (weitere Beschlüsse finden Sie hier.) Donald Trump regierte schon an seinem ersten Tag im Amt durch, vorbei am Parlament und vorbei an den Gerichten.

PAID Kommentar Trump An seinen Taten messen 12.09

Dekrete sind zwar nicht in der US-Verfassung festgeschrieben, in der US-Politik aber zulässig und üblich – sofern sie sich im Rahmen der geltenden Gesetze bewegen. Trumps Dekret-Flut ist also nicht ungewöhnlich. Sie zeigt aber, wie wenig sich der US-Präsident um Recht und Gesetze schert. Egal ob anfechtbar oder nicht: Trump hat die Beschlüsse einfach in die Welt geworfen, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen.

Doch die gibt es. Für die Weltgemeinschaft, die Trump schon vor seiner Amtseinführung mit Expansionsgelüsten und Annexionsplänen irritierte und verärgerte. Für Millionen US-Bürger, die nun um ihre Zukunft in dem Land bangen. Für die Gerichte, die den mächtigsten Mann der Welt vielleicht nicht bremsen können, ihm aber in den kommenden Jahren hinterherräumen müssen.

Unabhängigkeitskampf der US-Justiz gegen Trump

Bereits kurz nach Trumps Amtseinführung reichten mehrere Bürgerrechtsgruppen Klage gegen die Abschaffung des Geburtsrechts ein. Es ist möglich, dass ein Gericht Trumps Beschluss dazu kippt, denn die „birthright citizenship“ ist im 14. Zusatzartikel der US-amerikanischen Verfassung verankert.

Komplizierter dürfte es dagegen bei den Rechten für Transpersonen werden. Trump will offiziell nur zwei Geschlechter – männlich und weiblich – akzeptieren. „Bisher liefert die Verfassung noch keine Antwort darauf, ob Transmenschen gleichberechtigt behandelt werden sollen“, sagt Russell Miller im Gespräch mit dem stern. Der Jurist lehrt unter anderem Verfassungsrecht an der Washington and Lee School of Law in Virginia und rechnet in den kommenden vier Jahren mit einem Kampf der Gerichte um ihre ideologische Unabhängigkeit. Trumps Inauguration könnte der Startschuss gewesen sein.

Von der Justiz hält Trump wenig bis gar nichts. Seine Verachtung bewies er wiederholt in Gerichtssälen sowie auf den Plattformen X oder Truth Social, wo er Richter und Staatsanwälte verbal attackierte. Bußgelder brachten ihn nicht zum Schweigen, sondern noch mehr in Wallung.

FS Trumps juristische Probleme

Seine Beleidigungen von Richtern und Anwälten könnten in einem Lehrbuch für Populisten über verbale Attacken und Einschüchterungsversuche gegen die Justiz stehen. „Je nach System versuchen Populisten unterschiedlich gegen die Justiz vorzugehen. Das funktioniert nicht nur auf der Regierungs-, sondern auch von der Oppositionsbank aus“, sagt Anna-Mira Brandau, die in Deutschland zu den Kämpfen zwischen Justiz und populistischen Akteuren forscht. Doch mit verbalen Angriffen dürfte sich Donald Trump als Präsident nicht mehr begnügen.

Lakaien an die Macht

Die Justiz als Spielball der Republikaner – in den USA ist das besonders leicht. Qua Amt bestimmt der US-Präsident auch im Justizministerium mit. „Die Gründerväter waren sich darüber im Klaren, dass die Justiz die schwächste und am wenigsten gefährliche Regierungsinstanz sein würde“, sagt US-Rechtsexperte Miller.

Eigentlich halten sich US-Präsidenten aus den strafrechtlichen Ermittlungen des Justizministeriums heraus. Dass Trump dieser Linie treu bleibt, gilt als unwahrscheinlich. Offiziell hat der US-Präsident zwar nie gesagt, dass er die Justiz unterwerfen möchte. Doch die Hinweise darauf verdichten sich: Die Agenda 2025, ein Plan von konservativen US-Politikern, lässt erahnen, dass Trump die Justiz mindestens instrumentalisieren möchte. Der Masterplan sieht eine zentralisierte Regierungspolitik vor, mit der das Weiße Haus alle Bundesbehörden, einschließlich des Justizministeriums, kontrolliert und das bisherige Personal durch treue, konservative Gefolgsleute ersetzt.

Die ersten Schritte sind bereits getan: An der Spitze des Justizministeriums wünscht sich Trump den Abtreibungsgegner und Rechtsaußenpolitiker Matt Gaetz aus Florida. Außerdem hatte der Republikaner vor seiner Amtseinführung angekündigt, drei seiner persönlichen Strafverteidiger zu Generalstaatsanwälten und deren Stellvertretern zu ernennen.

Kommentar Trump Strafmaß 17.20

Und dann wäre da noch die Unitary Executive Doktrin, eine seit Jahren umstrittene konservative Theorie, die alle Macht dem US-Präsidenten zuspricht. US-Rechtsexperte Miller geht davon aus, dass „Trump die Grenzen dessen austesten und auch die Prioritäten des Justizsystems neu bestimmen wird“. Anders als in Deutschland kann der Bund in den USA über das Justizministerium die Bundespolitik durchsetzen. „Trump hat nun weitreichende Befugnisse, die Bundespolitik zu bestimmen und zu lenken und diesen großen bürokratischen Bundesapparat zu befehligen.“ Ginge es nach Trump, dann dürften sich die Richter vor allem mit Migrationsfragen beschäftigen. Die Hälfte der US-Amerikaner rechnet bereits damit, dass die Gerichte künftig ungerechter urteilen werden.

Trumps Vorgehen und Pläne sind beispielhaft dafür, wie Populisten weltweit legale Mittel missbrauchen, um die unabhängige Justiz zu untergraben. Juristen sprechen von selektiver Gesetzesanwendung. Beschlüsse werden so angewandt, dass sie den politischen Zielen dienen und ideologische Gegner treffen, dabei aber den demokratischen Anschein wahren.

US-Rechtsexperte Miller wähnt deshalb die Rechtsstaatlichkeit nicht nur in den USA in einer Krise.

Schwindet die Macht der Justiz in populistischen Zeiten?

In Europa arbeiteten die konservative polnische Regierung und der PiS-nahe Präsident Andrzej Duda bis zum Machtwechsel im Dezember 2023 jahrelang gemeinsam an der Lähmung des Justizsystemsund in Ungarn hebelte Regierungschef Viktor Orbán die Gewalt des Verfassungsgerichts aus.

Eigentlich sollte der 2020 von der EU beschlossene „Mechanismus zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit“ den Missbrauch der Justiz verhindern. Die EU-Kommission entzog Ungarn wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit sämtliche Hilfsgelder. Doch der Schaden ist angerichtet und auch in der Bundesrepublik beobachten Rechtswissenschaftler Tendenzen, die Rechtsstaatlichkeit zu untergraben.

„Momentan ist die deutsche Justiz noch standhaft, aber es gibt Einfallstore“, sagt Rechtswissenschaftlerin Anna-Mira Brandau und verweist auf die AfD in Thüringen. Dort kam rund um die misslungene konstituierende Sitzung des Landtages im September des vergangenen Jahres plötzlich die Befürchtung auf, dass sich der Altpräsident einem Beschluss des Landesverfassungsgerichts widersetzen könnte. „So eine Situation kennen wir in Deutschland bisher nicht, weil Demokratien darauf angewiesen sind, dass sich Exekutive und Legislative in letzter Instanz der Justiz beugen.“

Trump offen für Kauf von Tiktok durch Musk 11.10

In Deutschland erforscht der Verfassungsblog, ein Forum zu juristischen Themen und Fragen, wie resilient die deutsche Justiz gegen populistische Angriffe wirklich ist und welche gesetzlichen Schwachstellen ausgebessert werden können und müssen. „Aber es bleibt ein idealistischer Irrglaube, man könne die Justiz und unsere gesamte Verfassungsordnung durch Gesetze vollständig sichern“, sagt Brandau. Deshalb bietet der Verfassungsblog außerdem Fortbildungen für Richter und Anwälte an, um über antidemokratische Angriffe auf die Justiz aufzuklären. 

Denn am Ende entscheidet auch die Justiz selbst darüber, ob sie sich von einer Regierung vereinnahmen lässt oder nicht. Beispiel Argentinien: Zwischen 2007 und 2015 versuchte die Regierung offensiv mit Strafanzeigen gegen Richter vorzugehen. Doch das Oberste Gericht ließ sich davon nicht beirren. Auch in Polen standen Disziplinarverfahren gegen die Richter auf der Tagesordnung. Aber weil das Justizsystem zusammenhielt, gingen die Beschwerden nicht durch.

Wie schnell sich die Rechtsprechung unterwerfen lässt, hängt unter anderem vom Justizsystem ab. Die Bedingungen in den USA begünstigen Donald Trump. Aber von heute auf morgen wird auch er die Justiz nicht umkrempeln können. „Das funktioniert nur mit der Taktik der 1000 Nadelstiche“, sagt Brandau.

Ob die Justiz zum zahnlosen Tiger wird, entscheidet sie selbst. Der oberste US-Richter, John Roberts, stimmte die Justiz bereits zwei Wochen vor Donald Trumps Amtseinführung auf stürmische Zeiten ein. Bisher seien die Entscheidungen der Gerichte, ob beliebt oder nicht, immer akzeptiert worden, erklärte er. Diese Akzeptanz werde nun von offener Missachtung abgelöst. Dagegen müssten sich die Gerichte wehren.